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Zorngebete

Zorngebete

Titel: Zorngebete
Autoren: Sabine Heymann
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dieses Miststück, das mich in seine Gewalt zu bringen droht, ohne mich zu fragen, dieses Elend, das sich über mich lustig macht, wenn ich am Boden bin. Das bei jedem durch die Hintertür hereinkommt, ohne anzuklopfen. Ich aber werde ihm jetzt die Stirn bieten, mit meinem Kopf, denn meinem Körper sind ein wenig die Argumente ausgegangen.
    Ich heirate heute. Der Imam hat nur zwei Frauen, und meine grünen Augen haben ihm gefallen. Außerdem tut er ein gutes Werk. Das einzige Problem ist, dass ich keine Jungfrau mehr bin, seine Mutter aber das Bettlaken sehen will. Seine Mutter hat mindestens 200 Jahre auf dem Buckel. Sie ist eine Bösartige. Eine blöde Schnepfe. Wie alle Schwiegermütter meines Landes, die schlimmste Sorte. Mit ihr wird es nicht einfach werden. Ich werde sie ausschalten müssen, bevor sie mir das Leben zur Hölle macht. Sie betrachtet mich als ihr Mädchen für alles, wo sie doch nicht einmal reich ist.
    Die Schwiegermütter hierzulande wollen Sklavinnen für ihre Söhne, die sie aufgezogen haben, als wären sie kleine Könige. Vor allem aber wollen sie sich durch uns Schwiegertöchter an ihren Schwiegermüttern rächen, die ihnen ihrerseits ihr ganzes Leben lang den Nerv getötet haben. Sie erziehen ihre Söhne zu Machos und ihre Töchter zu Dienstmädchen. Deshalb ist es auch ganz in Ordnung, wenn ihr Mann ihnen Ohrfeigen verpasst, es ist die Schuld der Mütter, all das. Es ist ein Teufelskreis. Ich werde sie zur Strecke bringen. Ich bin kein Dienstmädchen, ich bin eine Hure. Sie wird schon sehen.
    Gut, es ist Zeit, ich muss mich zu meinem Mann ins Bett legen. Ich bin auf der Toilette. Ich schneide mir in den Unterarm, lasse das Blut in ein kleines Plastiksäckchen laufen und klebe ein Pflaster drauf. Ich werde Jungfrau sein.
    Ich trete in das Zimmer, mein grässlicher Ehemann wartet schon unter den Laken, und meine blöde Schwiegermutter beobachtet uns von der Ecke des Fensters aus. Sie glaubt, ich sehe sie nicht. Ich lasse den Rollladen auf ihre Fresse fallen, hoffentlich habe ich ihr die Nase gebrochen. Ich tue so, als sei ich ein bisschen verlegen, ich lasse mir Zeit beim Ausziehen, so als hätte ich darin gar keine Übung, und ich atme heftig. Er streichelt mir über den Kopf, damit ich mich beruhige.
    Es funktioniert. Er kriegt einen Ständer. Ich habe einen Reflex, aber den habe ich schnell im Griff. Ich wollte ein bisschen Spucke in meine Mumu tun, aber ich darf ja gar nicht wissen, dass man das so macht. Ich halte mein kleines Säckchen in der Hand, im Augenblick der Penetration lasse ich es platzen. Das ist gut, ich bin Jungfrau. Und jetzt habe ich ein Dach über dem Kopf. Es ist vorbei, mein Mann zieht sich wieder an. Ich auch. Und seine Mutter klopft an die Tür, um das Laken mit dem Blutfleck zu holen und mit ihren Freundinnen in der gesamten Bruchbude in Jubel auszubrechen. Die gleiche Sorte Schnepfen wie sie.
    – You you, you you!
    Diese Hochzeit ist mein letzter Ruhetag. Morgen geht es in Richtung Küche mit der Schwiegermutter. Ich werde es hier nicht lange aushalten, aber der Winter ist rau in dieser Gegend, und ich habe keine warme Kleidung. Sie hat immer einen Schlüssel an ihrem Gürtel hängen. Es ist der Schlüssel zu den Schränken. Sie sperrt alles weg, vom Zucker über das Geschirr und die Datteln bis zur Wäsche. Alles hängt von ihr ab, also auch ich. Sie hat Geldscheine in ihrem BH, in ihren Strümpfen und bestimmt auch in ihrer Unterhose, da bin ich ganz sicher. Sie überwacht alles, mischt sich in alles ein, betet nur, wenn ihr Sohn da ist und bedient sich aus der Kasse der
sadakka
, die sie jedes Wochenende veranstaltet. Aber genau wie ich, ich sage ja auch nichts. Eine echte Schauspielerin, die auf Kommando losheult und in Ohnmacht fällt. Sie schlägt sich auf die Brust, wie diese Gottesfanatiker im Fernsehen, und beklagt sich über ihr trauriges Schicksal als ungeliebte Schwiegermutter. Und ihr geliebter Sohn, ihr Augenstern, tröstet sie, und alle tun, was sie sagt.
    Sie muss schnell sterben. Verzeih mir, Allah, dass ich so rede, aber sie ist unerträglich und boshaft. Du hast doch gesehen, wie sie mich herumstößt? Und wie sie mich beleidigt auch? Vor ihrem Sohn oder wenn Gäste da sind, spielt sie die arme Alte, aber in der Küche ist
sie
die Nutte. Sie hat das Herz einer Nutte. Ich nur den Arsch.
    Wie können die Männer ihre Mütter nur so sehr lieben und ihre Frauen so wenig? Oft sagen sie »alles Nutten, bis auf meine Mutter«. Dabei vergessen sie,
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