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Zorngebete

Zorngebete

Titel: Zorngebete
Autoren: Sabine Heymann
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aus, radieren Sie die Elendshütten aus, und Sie werden sehen, wie die Bärte kürzer werden. Sie zäumen das Pferd immer vom Schwanz her auf, das ist ungerecht.
    Ich bin empört, Allah. Inmitten dieser Trostlosigkeit will es mir nicht gelingen, mein zerbrechliches Glück zu genießen. Mein Schleier hindert mich nicht daran zu sehen. Wenn er wenigstens dazu gut wäre … Aber nicht einmal das. Ich bin zornig auf die anderen, mit denen ich zu tun hatte, die Weißen und die Reichen, die ihre Spuren in mir hinterlassen haben. Ist das zu sehr vereinfacht? Sie können mir mal den Buckel runterrutschen! Seien Sie bloß auf der Hut, wenn Sie in unser Land kommen zum Tapetenwechsel, den Sie sich für eine Handvoll Couscous kaufen, dann werden wir da sein, wir, die Mikroben, um euch eine sehr blutige Rinderlende zu servieren. Anscheinend mögen die Reichen das Fleisch gern blutig. Wir werden es euch servieren, wie es sich gehört. Das Leben ist heilig bei euch, bei uns ist es der Tod, der heilig ist. Unsere Ankunft haben wir verpasst, deshalb werden wir umso genauer auf unsere Abfahrt achten.
    Was ist los mit mir, Allah, dass ich so spreche? Ich war losgegangen, um Sellerie zu kaufen, und jetzt bin ich auf einer Liste von freiwilligen Helfern auf der großen Reise. Bin ich verrückt oder was? Mein Gott, wie schnell das geht, ich habe mich nicht einmal kommen sehen.
    – Drei Stangensellerie, bitte!
    Dabei gehöre ich nicht zu denen, die sterben wollen. Noch weniger zu denen, die denken, dass es sich besser leben lässt, wenn man andere tötet. Es ist wahr, manchmal ist die Versuchung groß. Und ich bin anfällig dafür, Versuchungen nachzugeben. Das weißt Du am besten. Aber ich bin mein ganzes Leben damit durchgekommen, an erster Stelle mit dem Körper und erst an zweiter mit meinem Kopf zu reflektieren. Ich werde jetzt nicht alles verpfuschen.
    Ich habe auch eine Frage, aber nicht an Dich, Allah, an die anderen, sie werden sich darin wiedererkennen. Wenn ich Märtyrerin würde, würden dann im Paradies auch zweiundsiebzig knackige Kerle mit nagelneuem Schwanz auf mich warten?
    Nur so eine Frage. Nichts von Bedeutung. Sie wissen es nicht? Zu dem Thema steht nichts geschrieben? Aha …
    – Und zwei Bund
kasbour
. Und einen Raïbi Jamila.

Scheiße nochmal, dieser Schleier kotzt mich an! Bei jedem Schritt verheddern sich meine Füße darin! Außerdem habe ich mit meinen schwarzen Handschuhen Schwierigkeiten, die Münzen aus dem Portemonnaie zu holen. Seit mehr als zwei Jahren bin ich jetzt von Kopf bis Fuß schwarz umhüllt, und allmählich habe ich es satt. Okay, mein Mann ist Imam, aber am Anfang dachte ich auch nicht, dass ich so lange bleiben würde. Und jetzt haben wir den Salat, ich habe mich an ihn gebunden und bin jetzt eine Gefangene dieses Schleiers.
    Es hat schon zu lange gedauert. Ich habe die Nase voll. Ich werde ihm sagen, dass ich ihn gern ablegen würde. Ganz einfach. Er wird mich rausschmeißen, das ist sicher, aber ich habe meine Argumente, und im Allgemeinen hört er auf mich. Vielleicht nicht komplett ablegen, aber wenigstens an den Händen und dem Gesicht. Wie konnte ich diese Kostümierung nur so lange hinnehmen? Ich, Jbara Aït Goumbra! Ich, Scheherazade vom Monte Casino! Ich, Khadija, mit dem verheißungsvollen Namen …
    Sie sagen, die Frau müsse ihre Zierden verbergen, damit der Mann nicht auf unmoralische Gedanken komme. So steht es geschrieben, und das scheint auch niemanden zu stören. Er ist es, der unmoralische Gedanken hat, und ich bin es, die sich verstecken muss. Das ergibt keinen Sinn. Nach welchem Recht soll ich zur Geisel eines Mannes werden, der sich nicht unter Kontrolle hat? Es ist am Mann, sich zu disziplinieren, nicht an mir, mich zu verstecken. Und wenn er sich nicht disziplinieren will, weiß ich nur ein Mittel: die kalte Dusche. Ich kenne sonst nichts, was eure unmoralischen Gedanken lindern kann, meine Herren. Mich aber lasst ihr zufrieden, mich und meine Zierden, mich und meine Haare, mich und meine Keuschheit! Wenn ihr beim Anblick von Knöcheln einen Ständer kriegt, dann ist es höchste Zeit, euch professionelle Hilfe zu holen.
    Nicht ich. Ihr.
    Wegen tendenzieller Dauererektion im fortgeschrittenen Stadium.
    Er ist eine Strafe Gottes, dieser Pimmel, ich schwör’s!
    Meinen Schleier habe ich über dem Herzen, Allah, ich bin Deine ewige Dienerin und ich werde Dir mein ganzes Leben lang dankbar sein, denn mit Dir hat es einen Sinn bekommen. Einen Sinn, der nicht vorgesehen
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