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Der Bestseller

Der Bestseller

Titel: Der Bestseller
Autoren: Robert Carter
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    W enn es je einen Menschen gab, der geradezu ausersehen war, Opfer eines Mordes zu werden, dann war es Parker Foxcroft. Er war arrogant und rücksichtslos, ein Schreibtischtäter, Frauenheld und maßloser literarischer Snob. Er war berüchtigt für seine Hinterhältigkeit und manchmal — selbst wenn man die Maßstäbe anlegt, die in der Buchbranche gelten — regelrecht bösartig.
    Ich muß es wissen, schließlich hat er für mich gearbeitet. Als Präsident und Verleger von Barlow & Company habe ich Parker eine Position als Lektor und vor drei Jahren ein eigenes Imprint gegeben. Ich war allerdings haarscharf davor, ihn hinauszuwerfen, als jemand mit einem stärkeren Motiv als ich ihn »kaltmachte«, wie die Gangster in den Kriminalromanen, die ich so gern und mit so viel Erfolg verlege, es ausdrücken. Oder sagt man jetzt »plattmachen«? Oder »ausknipsen«? Nicht mehr lange, und es gibt für »töten« fast so viele Synonyme wie für »betrunken« (der neueste Stand ist dreihundertfünfundsiebzig, von »abgeschmiert« bis »zappeldicht«).
    Ich kann nicht behaupten, ich sei erstaunt gewesen, als Parker das Zeitliche segnete, aber es bereitete mir in mancherlei Hinsicht Unannehmlichkeiten. Immerhin war ich es gewesen, der Parkers Leiche gefunden hatte, und zwar kurz nach einer sehr lautstarken Auseinandersetzung mit ihm.

    Ich war auf der ABA Convention, als mir klar wurde, daß mit Parker etwas geschehen mußte.
    Wie die Bewohner der Trobriand-Inseln oder die Mitglieder des Wohltätigen und Beschirmenden Ordens der Elche haben auch wir Verleger unsere eigenartigen und archaischen Stammesriten. Dazu gehören die Frankfurter Buchmesse und die American Booksellers Association Convention. Auf der Buchmesse trifft sich die ganze Buchwelt, sie ist ein Oktoberfest, das in vier riesigen Hallen fünfhundert Meter westlich des Frankfurter Hauptbahnhofs veranstaltet wird. Die ABA dagegen — man nennt sie nie bei ihrem offiziellen Namen — ist eine bewegliche Feier und wird jedes Jahr an einem anderen Ort veranstaltet. Es gibt in Amerika nur ein paar Städte mit Hallen, die groß genug sind für diese gewaltige Versammlung der Klans: Es kommen immerhin fünfundzwanzig- bis dreißigtausend Menschen zusammen, von denen fünf- bis sechstausend tatsächlich Buchhändler sind, und es gibt mehr als zwölfhundert Aussteller. Die meisten sind Buchverlage. Sie stellen auf der ABA ihre Neuerscheinungen vor und werben für ihre bereits erschienen Titel; Buchhändler kommen, um zu sehen, zu kaufen, Seminare zu besuchen und alte Freunde wiederzusehen.
    Das erklärt, warum ich mich am Freitag, dem 28. März — am Memorial-Day-Wochenende also — in Washington befand. Daß die ABA immer an diesem langen Wochenende stattfindet, gehört ebenfalls zum Ritual. Es ist eine der grausamsten Terminentscheidungen, die ich kenne: Die Verleger dürfen nicht an den Strand, auf den Tennisplatz, auf den Golfplatz, damit die Buchhändler, die ihr Geschäft an diesem Wochenende ohnehin schließen würden, die Frühlingssonne genießen können.
    Die Sonne brannte auf mich herab, als ich in Washington ankam, mein Gepäck nahm und aus dem Flughafengebäude trat. Sie brannte mit tropischer Intensität. Ende Mai und schon dreiunddreißig Grad im Schatten.
    Ich wandte mich an Sidney Leopold, den Cheflektor meines Verlages, der mich begleitete.
    »Herrgott, Sidney, was für eine Hitze! >Somer is körnen hier, sing gar laut, Kucku.<«
    »Erstklassiges Wetter für Eiscreme, N-Nick«, sagte er.
    »Ich hatte eher an Wodka Tonic gedacht.«
    »Wu-wußtest du schon«, sagte er, »daß Hä-Häagen-Dazs eine neue Produktlinie hat: >Exträas< — mit Umlaut natürlich.«
    »Ach ja?«
    »Tausend Ka-Kalorien mehr als die normalen Sorten.«
    Ich erbleichte. Ich muß dazu anmerken, daß Eiscreme in allen Arten und Formen Sidneys Leidenschaft ist. Wenn ich soviel davon verzehren würde, wie er in einem ganz normalen Monat ißt, würde ich mein Kampfgewicht, das bei ungefähr hundert Kilo — plus minus ein paar Pfund — liegt, wahrscheinlich um fünfzig Pfund überschreiten. Nicholas Barlow, homo giganticus. Nein, danke. In letzter Zeit habe ich das Gefühl, daß ich nicht einmal eine Speisekarte aufschlagen oder an einer Bäckerei Vorbeigehen kann, ohne zuzunehmen. Sidney dagegen ißt, was er will, und bleibt rank und schlank.
    Ein Taxi — Gott sei Dank mit Klimaanlage — fuhr vor und rettete uns aus der Hitze. Und der Luftfeuchtigkeit. Für beides ist Washington
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