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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
Autoren: Martin Clauß
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gesunken waren? Die Kerben, die entstanden, wenn jemand mit dem Messer zu tief in die Nahrung stach? Wo waren die abgerissenen Saiten der Musikanten, das Frauenhaar, das bei heftigem Liebesspiel ausgerissen worden war?
    In den Flammen konnte Steffen all das erkennen, unklar und flüchtig zwar, aber es war da. Er hatte das Gefühl, dass diese Dinge auch in der Halle zu sehen sein würden, wenn er sich nur auf das Spiel einließ, das dazu nötig war. Dazu musste er nur seine Beobachterrolle aufgeben und ein Teil des Ganzen werden. Mitspielen.
    Langsam drehte er sich um. Wie eine Welle ging es von ihm aus durch den Raum. Als zöge jemand ein Tuch zur Seite, wurden Leute sichtbar. Sie tranken, lachten, vergnügten sich. Die Frauen waren Schönheiten, die Musikanten Wahnsinnige, die Köche Genies. Das Feuer war nun nicht mehr die einzige Wärmequelle. Die Leiber der erhitzten Menschen vertrieben die Kälte aus dem Raum.
    Steffen streifte sein Hemd ab. Er ging zum Tisch, zögerte einen Moment. Ein markantes, bärtiges Gesicht wandte sich ihm zu, lachte. Der Mann, der zu dem Gesicht gehörte und in einem mit Soße bekleckerten Jagdrock steckte, reichte ihm eine Schale mit Entenschlegeln. Steffen griff zu.
    Während er kaute, suchte er die anderen drei. Als farblose Schatten standen sie am Rande des Raumes, blickten mit verstörten Mienen zu ihm herüber. Seht ihr, wie einfach alles ist, wenn man ein wenig Fantasie und schauspielerisches Talent hat? , dachte er. Die Bühne erwacht mit dem Mimen zum Leben! Es ist nicht der Regisseur – es ist der Schauspieler. Genießerisch stopfte er sich die Keule in den Mund, riss das Fleisch mit den Zähnen ab und warf den Knochen neben sich zu Boden. Einen Film wie diesen wirst du dein Leben lang nicht drehen, Simon. Weil du nicht weißt, wie man spielt.
    Mädchen kamen auf ihn zu, Frauen, in Korsetten verschnürt, aus denen ihre Brüste wie reife Früchte quollen. Ihre Frisuren waren Kunstwerke, hoch aufgetürmt oder in winzigen Löckchen auf ihre nackten Schultern prasselnd.
    Du bist neu , sangen sie.
    Es gibt ein Ritual , wisperte die eine, da muss jeder Neue durch.
    Das Ritual sind wir , lachte eine andere.
    Es war ihm nicht ganz klar, ob er sich die Hose selbst abstreifte, oder ob die Mädchen es für ihn taten. Applaus brandete auf, als er eine der Frauen um die Taille packte und auf das Tischende setzte. Ein paar eilige Hände zogen Speisen und Getränke zur Seite, ehe er die Beine des Mädchens nach oben reißen konnte und das junge Ding sich dadurch zwangläufig hinlegte. Ihre blonden Ringellocken ergossen sich auf die Tischplatte und bis auf die Teller der Zecher, ihre Röcke und Unterröcke fielen zurück und entblößten straffe weiße Schenkel.
    „So müssen moderne Filme sein“, grinste Steffen. „Sinnlich und kontrovers …“

11
    „Was treibt dieser Verrückte da?“
    „Das, Lilli, dürfte auf der Hand liegen.“ Pö lachte rau. „Er beglückt eine unsichtbare Dame, ganz pantomimisch.“
    „Ja, aber … aber … Da! Er hat sogar eine … eine Erektion.“
    „Wenn das nicht nach einem pubertären Wortspiel klingen würde, würde ich sagen, er geht in seiner Rolle förmlich auf“, sagte Simon. Er wirkte eher unbeteiligt, ein wenig amüsiert vielleicht, aber keineswegs perplex.
    Keine zehn Meter von ihnen entfernt stand Steffen am Ende des Tisches, mit heruntergelassenen Hosen, bewegte die Hüfte rhythmisch vor und zurück und beugte sich bisweilen vornüber, als würde er die Lippen oder die Brüste der dort liegenden imaginären Partnerin küssen.
    „Der Junge hat etwas Böses geraucht“, meinte Pö.
    „Bis eben wirkte er noch ganz entspannt.“ Lilli schüttelte den Kopf.
    Pös Augen wurden schmal. „Das warst du auch, ehe du deine Show abzogst.“
    „Hör mal! Du kannst doch das nicht miteinander vergleichen! Ich … ich …“ Sie stockte, holte tief Luft und begann von neuem. „Ich habe … angedeutet, wie eine Angstszene in einem Spukschloss aussehen könnte. Okay? Dieser Spinner hier steht splitterfasernackt vor uns, und das mit einem Wahnsinns…“
    Pö lächelte überlegen. „Vielleicht deutet er nur an, wie eine Orgienszene in einem Jagdschloss aussehen könnte. Und ich muss gestehen, er hat Talent dazu. Es wirkt sehr authentisch. Was man von dir nicht behaupten konnte.“
    „Du hast vor Angst gezittert!“, zischte Lilli.
    „Ich habe nicht , ich wiederhole, nicht gezittert.“
    „Sagt mal, was ist los? Habt ihr sie noch alle?“, erkundigte
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