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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
Autoren: Martin Clauß
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1
    Schwarzer Rauch trieb durch den Raum und überschüttete die vermummten Gestalten mit bitteren, klebrigen Rußpartikeln. Ausgestoßen wurde er von schlecht brennenden Fackeln, die dick und unförmig in rostigen Halterungen an den Steinwänden hingen. Der Rauch kroch zäh über die niedrige Decke, als suche ein geplagtes Gespenst einen Ausweg aus seinem Gefängnis. Das Knacken des Feuers hörte sich beinahe ölig an, feucht und fettig in diesem Raum, der jedes noch so scharfe Geräusch als dumpfes, schmutziges Echo zurückgab.
    Die neun in Kutten gehüllten Menschen bildeten einen Kreis, oder, präziser gesagt, einen neunzackigen Stern. Die Stellen, an denen sie standen, wurden von den Ausmaßen dieses unterirdischen Raumes vorgegeben. Hätten sie sich näher an den Wänden aufgehalten, so hätten ihre malvenfarbigen Kutten unweigerlich an den Flammen der Fackeln Feuer gefangen – wären sie dagegen weiter ins Zentrum des Ortes vorgerückt, hätten sie das Wesen eingeengt, das sich dort in einem wilden, unmenschlichen Tanz über den Boden bewegte.
    Eine Decke war über dem Steinboden ausgelegt worden, ein großer brauner Lappen mit einem ausgebleichten goldenen Kreuz darauf. Das Geschöpf bewegte sich nicht etwa darüber, sondern darunter.
    Verborgen unter dem zerschlissenen Stoff rollte es auf dem nackten Fels hin und her, mal träge und zögernd, dann so schnell, dass ihm das Auge kaum folgen konnte. Es schien nicht zu gehen, nicht zu krabbeln, nicht einmal zu kriechen, sondern tatsächlich zu kullern , eine Art der Fortbewegung, die ihm kein anderes Lebewesen auf diesem Planeten nachmachte. Es zeichneten sich keine Gliedmaßen unter der Decke ab, nur ein Rumpf, der die Form und Größe eines Getreidesacks hatte, und daran angeschlossen ein etwa fußballgroßes rundes Ding, das ein Kopf oder ein riesiges Geschwür sein mochte. Das Wesen warf sich vor und zurück, bis es die Füße der Umstehenden und die Ränder der Decke erreichte. Es oszillierte zwischen den neun Personen wie zwischen Polen hin und her. Manchmal, wenn es sehr nahe an den Rand der Decke kam, war in dem unnatürlichen, flackernden Licht ein Stück von seinem Körper zu sehen – eine gerötete, haarlose Haut, stumpf und schwammig, von Wunden und Narben übersät.
    Es stieß röhrende, schnaubende Atemlaute aus, wie man sie in zoologischen Gärten aus den Mäulern von Robben oder Seelöwen zu hören gewohnt war. Was immer es tat, es schien es sehr anzustrengen; die Geräusche, die es machte, zeugten von großer Mühsal. Gewissermaßen war es kein Wunder, dass es unter der Decke nur schlecht Luft bekam, doch es schien nicht den Wunsch zu verspüren, darunter hervorzukommen. Niemals tauchte es in den Zwischenräumen zwischen den Kuttenträgern auf. Stets rollte es auf ihre Füße zu, ehe es wieder umkehrte und einen anderen von ihnen anvisierte.
    Der Geruch sauren Schweißes mischte sich in den herben Rauch. Die neun Gestalten blieben reglos stehen. Sie sprachen nicht, sahen sich nicht um. Ihre Köpfe waren gesenkt.
    Das Schauspiel währte nahezu eine Viertelstunde. Irgendwann kugelte der sackartige Leib kraftlos in die Mitte des Raumes zurück und verharrte dort. Nun war nur noch das mühevolle Heben und Senken der Decke zu erkennen, das seine Atmung begleitete. Die Anwesenden warteten weiterhin reglos einige Minuten, ohne dass sich der Atem des Wesens sichtbar beruhigte.
    Hinter einem der Vermummten gab es eine niedrige, rohe Öffnung im Fels. Die Gestalt, die davor stand, wandte sich um, ging in die Knie und bückte sich weit hinab, um das Felsenzimmer zu verlassen. Einer nach dem anderen näherten sie sich nun der Tür, in einer bestimmten Reihenfolge, wie es schien, und ehe sie gebückt durch die niedrige Öffnung gingen, sah es aus, als verneigten sie sich tief vor dem Raum, in dem sie sich hatten aufhalten dürfen.
    Ehe der letzte der Neun das Zimmer verließ, löschte er alle Fackeln bis auf eine mit einem Lappen, beugte sich hinab, zog das Tuch an sich und legte es zusammen. Schließlich löschte er auch die letzte Fackel, und als er tastend aus dem Raum in den engen Korridor schlüpfte, das Tuch unter seinem Arm, ließ er das Wesen in völliger Finsternis zurück.
    Nachdem er ein Stück Weg in dem Durchgang zurückgelegt hatte, gelangte er in einen größeren Raum. Dort gab es nur eine einzige Fackel, und die anderen warteten in den Schatten auf ihn. Bis hierher drangen die schweren, nahezu qualvollen Atemzüge des Geschöpfes.
    Die
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