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Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid

Titel: Zimmer d. Wahrheit - Schatzjäger - Zelluloid
Autoren: Martin Clauß
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dem man schön und reich und wichtig gewesen war.
    „Okay“, presste sie hervor. „Die Vorführung ist vorbei.“ Sie erwischte den richtigen Zeitpunkt, ehe Steffen sie von sich geschleudert hätte.
    „Wa-was?“ Sie konnte tatsächlich den Rhythmus seines Herzens in seinen Worten hören, als pochten seine Stimmbänder und seine Zunge mit. Es war beeindruckend, was ein kleines bisschen Schauspielerei und ein finsterer Keller mit einem Menschen anstellen konnten.
    „Moment“, hörte sie Pös Stimme aus dem Hintergrund. Er war also nicht weggelaufen. Aber eingegriffen hatte er auch nicht. „Lilli? Was ist passiert?“
    Sie löste sich von Steffen und stand auf. Ihre Augen hatten sich genug an die Dunkelheit gewöhnt, um die beiden Männer als verwaschene Flecken wahrzunehmen. Die helle Kleidung, die sie trugen, half dabei. Ihre eigene dunkelgrüne Bluse würde sich gewiss wenig von der Schwärze abheben.
    „Ich habe nur das getan, wofür mich Simon bezahlt“, sagte sie und konnte ein leises Kichern nicht unterdrücken. „War ich gut? – Nein, sagt nichts! Ich war gut.“
    „Gott, Lilli“, würgte Steffen. „Bist du wahnsinnig geworden? Du hast eine Show abgezogen. Und ich dachte, du …“
    „Ich wusste gleich, dass etwas faul ist“, bemerkte Pö. „Es war zu übertrieben.“
    Schlechter Verlierer , dachte Lilli.

10
    Die Stimmung zwischen ihnen war gespannt, als sie wieder nach oben stiegen. Steffen ärgerte sich, dass er auf den Mummenschanz hereingefallen war, Lilli wurmte, dass keiner ihre Leistung lobte, und Pö … Pö versuchte so tun, als wäre nichts geschehen. Doch es konnte kein Zweifel bestehen, dass er innerlich kochte und brodelte.
    Simon kam aus dem ersten Stock herab und registrierte sofort, dass etwas vorgefallen war. „Was ist los? Habt ihr“, er grinste, „ein Gespenst gesehen?“
    Niemand antwortete. „Und selbst?“, fragte Pö. „Irgendetwas von Interesse gefunden, da oben?“
    „Nichts von Belang. Alles hübsch aufgeräumt, und praktisch keine Gegenstände, nur ein paar alte Möbel, außerordentlich gut in Schuss.“
    Steffen setzte sich an den Tisch, ganz in die Nähe des wild brennenden Kamins. Der Angstschweiß bedeckte seinen Körper, und die Eiseskälte, die er zuvor gespürt hatte, kehrte wieder zurück. Er knöpfte sein Hemd auf und ließ seinen nassgeschwitzten Oberkörper von den Flammen trocknen. Dabei schwor er sich, dass der Kamin die Nacht über brennen würde. Er wusste nicht, wo die anderen schlafen wollten – er für seinen Teil würde sich nicht weiter als zwei Meter von der Feuerstelle entfernen. Und wenn es bedeutete, dass er keinen Schlaf fand: Auf keinen Fall würde er das Feuer ausgehen lassen.
    Die anderen redeten miteinander. Er konnte ihre Stimmen hören, aber sie interessierten ihn nicht mehr. Simon und Pö hingen ihm zum Hals heraus mit ihrem Anführergehabe, und über das, was Lilli getan hatte, wollte er gar nicht erst nachdenken. Dass er sich für diesen merkwürdigen Film bis knapp an die Alkoholvergiftung getrunken hatte, kam ihm nun wie eine große Dummheit vor. Er strengte sich an, brachte Opfer, und niemand würdigte es. Auch um diese Schlägerei im Gasthaus anzuzetteln, hatte er sich in die erste Reihe gestellt und einige hammerharte Hiebe eingesteckt.
    Vielleicht war es an der Zeit, dass auch er zeigte, wozu er fähig war. Er hatte geglaubt, Freunde zu finden, in dem er immer nur kuschte und zu allem den Kopf hinhielt. Offenbar hatte er sich getäuscht.
    Steffen stellte sich vor das prasselnde Kaminfeuer. Sah hinein. Versuchte etwas darin zu erkennen, irgendetwas, eine Inspiration, ein Bild.
    Tatsächlich erinnerte ihn das Feuer an etwas. Wenn er sich ganz in den Anblick der wimmelnden Feuerzungen versenkte, die einander umschlangen, übereinander herfielen und sich gegenseitig fraßen, entstand eine Vision vor seinen Augen. Er sah dieses Schloss voller Menschen, voller genusssüchtiger, ausgelassener Menschen. Ein Bankett! War nicht die Rede von ausschweifenden Festen gewesen, von dekadenten Blaublütigen, die auf Schlössern wie diesem zügellose Partys feierten? Das sterile, penibel gereinigte Interieur ließ eher vermuten, dass das Schloss einem pedantischen, putzsüchtigen Schwaben gehörte, in dessen Leben die regelmäßige Kehrwoche den ekstatischen Höhepunkt bildete …
    Wo waren die Fettflecken, die auf lukullische Speisen verwiesen? Die Spritzer vom verschüttetem Rotwein, die wie Blutreste in das Holz der Tischplatte
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