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029 - Hexenjäger aus dem Gestern

029 - Hexenjäger aus dem Gestern

Titel: 029 - Hexenjäger aus dem Gestern
Autoren: A.F.Morland
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Anno Domini 1692
    Selma war glücklich. Zum erstenmal war ihre Liebe zu einem jungen Mann erblüht. Gordon hieß er, und sie konnte nicht aufhören, in der finsteren Stille ihrer Kammer diesen Namen zu flüstern.
    Auf einer Wiese, übersät mit bunten Frühlingsblumen, war sie ihm begegnet, und sie hatte gemeint, ihr Herz müsse zu schlagen aufhören, als er sie ansprach.
    Gemeinsam hatten sie einen großen, herrlichen Frühlingsstrauß gepflückt, und obwohl Gordon sie nicht berührt hatte, entbrannte in Selma ein unbeschreibliches Gefühl.
    Gordon fragte sie, ob er sie wiedersehen dürfe, und sie sagte mit Freuden ja – und nun lag sie in ihrem Bett, dachte bebend an ihn und konnte es nicht erwarten, bis die Nacht vorbei war.
    Denn morgen – morgen würde sie Gordon wiedersehen!
    Mit diesem wundervollen Gedanken schlief sie ein. Ein kleines Lächeln umspielte ihre vollen Lippen.
    Irgendwann – vielleicht war es Mitternacht – erwachte Selma. Sie schlug die Augen auf und wußte, daß etwas sie geweckt hatte, doch sie wußte nicht, was. Schlaftrunken setzte sie sich auf.
    Der Vollmond zeichnete unheimliche Schatten an die Wand. Als Kind hatte sich Selma immer davor gefürchtet, doch darüber war sie hinaus. Nachts hatte sie in ihrer Kammer keine Angst mehr.
    Sie fühlte sich hier drinnen geborgen und sicher. Was sollte ihr passieren? Nebenan schliefen Vater und Mutter. Und Selmas Vater war ein robuster Mann mit schweren Fäusten, vor dem man Respekt hatte.
    Ein kleines, kaum wahrnehmbares Geräusch drang an Selmas Ohr. Es kam vom Fenster. Sie blickte hin, konnte niemanden sehen.
    Ihr Herz schlug schneller. Sie dachte an Gordon.
    Um Himmels willen, war er so unvernünftig, sich in diese Gefahr zu begeben? Konnte er seine Gefühle so schlecht bezähmen? Wollte er sie in der Nacht schon wiedersehen?
    Das schickte sich erstens nicht, und zweitens würde es Selmas Vater niemals dulden. Was Gordon machte, war riskant. Damit konnte er alles verderben. Selma würde für die nächsten Tage, vielleicht Wochen, Hausarrest kriegen…
    Sie stand auf.
    Fröstelnd zog sie sich etwas über. Sie mußte Gordon zur Vernunft bringen, ehe ihr Vater wach wurde, denn der würde wenig Verständnis für Gordons nächtliche Klettertour aufbringen.
    Ein kalter Schauer rieselte über ihren Rücken, als sie sich dem Fenster näherte. Ob sich Gordon von ihr nach Hause schicken lassen würde? Vielleicht würde er darauf drängen, daß sie ihn in ihre Kammer ließ, aber das würde sie nicht zulassen.
    Er mußte einsehen, daß das unmöglich war. Sie kannten einander noch nicht lange genug. Gordon würde die Achtung vor ihr verlieren, wenn sie seinem Drängen nach so kurzer Bekanntschaft schon nachgab.
    Nein, sie würde ihm sagen, daß ein Mann, der aufrichtig liebt, warten können muß, und er würde das verstehen. Er mußte es verstehen – oder er meinte es nicht ernst mit ihr.
    Selma erreichte das kleine Fenster. Düstere Wolken zogen über den Himmel und verdeckten immer wieder den Mond. Das Mädchen griff nach dem Fensterriegel. Der Wind rauschte durch hohe, finstere Tannen und drückte den Fensterflügel auf. Mit seinen kühlen Fingern zerzauste er Selmas braunes Haar.
    Vor ihr befand sich die Schräge des Daches. Sie hatte erwartet, Gordon zu entdecken, doch er befand sich nicht auf den Holzschindeln. Hatte sie sich bloß etwas eingebildet?
    War Gordon gar nicht gekommen, um sie in Verlegenheit zu bringen? Wie konnte sie ihm so wenig Selbstbeherrschung zutrauen? Er würde doch nicht… Nein, Gordon nicht. Er besaß Takt und Anstand.
    Er wußte, was sich gehörte. Wie hatte sie auf die Idee kommen können, daß er nachts hier herumturnte. War etwa ihr geheimer Wunsch der Vater dieses Gedankens?
    Selma erschrak. Ihre Eltern hatten sich die redlichste Mühe gegeben, aus ihr ein frommes, anständiges Mädchen zu machen, und sie hegte solche geheime, verbotene Wünsche!
    Vor dir selbst mußt du dich schämen, dachte Selma, und sie sparte nicht mit Selbstvorwürfen.
    Unschlüssig stand sie am Fenster und fragte sich, was sie wohl geweckt haben mochte. Irgendein Geräusch, was der Wind verursacht hatte, mußte es gewesen sein.
    Sie beugte sich zum Fenster hinaus. Was oder wen erwartete sie zu sehen? Rasch zog sie den Kopf wieder zurück. Gordon befand sich nicht in der Nähe. Selma beschloß, ins Bett zurückzukehren.
    Sie wollte unter die weiche warme Daunendecke kriechen und versuchen, von Gordon zu träumen. Das Fenster ließ sie offen. Sie
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