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Zeit und Welt genug

Titel: Zeit und Welt genug
Autoren: James Kahn
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erreichten, keuchte sie fröhlich. Er blieb stehen, beugte sich hinunter, und sie umarmten einander lange Sekunden.
    »Beauty«, flüsterte sie. Er senkte seinen Mund auf den ihren, und ihre Zungen berührten sich zart und feucht.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte er, als sie ihn endlich losließ.
    Sie hob die Hand und streichelte seinen kurzen goldenen Bart, seinen glatten Hals und ließ die Finger dann zart an den lockig-gelben Haaren seiner breiten sonnengebräunten Brust herabgleiten. Sie hatte seinen Körper an dem ihren vermisst.
    »Steig auf«, sagte er lauter. »Josh steht da drüben ganz allein wie ein verirrtes Hündchen.«
    Sie kicherte, zog ihren Rock hoch, sprang auf seinen Rücken, und er galoppierte auf Josh zu. Sie liebte es, ihn so zu reiten, ohne Sattel, die Arme von hinten um seinen Brustkorb geschlungen, die Fingerspitzen an seinen windspitzen Brustwarzen, die Knie fest an seine Schultern gepresst, die Fersen an seinen Flanken, das Gesicht in seiner langen goldenen Mähne vergraben.
    Joshua sah die beiden auf sich zukommen – Rose auf dem Rücken seines guten Freundes – und hob die Hand zum Gruß, in Zuneigung und Bewunderung: Beauty war und blieb der anmutigste Zentaur, den Joshua kannte.
     
    Die drei lagerten im Gras unter dem Lächeln der Mittagssonne und schlürften Apfelwein. Rose lag mit dem Kopf an Beautys Rumpf; sein Schwanz peitschte ab und zu eine Fliege weg. Sie unterhielten sich und scherzten.
    »Ich wette, du hast das Schießen völlig verlernt«, sagte Joshua.
    Beauty lächelte.
    »Ich habe keinen Bogen mehr gespannt seit …«
    »Gib die Farm auf.« Joshua schüttelte den Kopf. »Du bist nicht der Richtige dafür.«
    Rose stieß mit dem Fuß träge nach Joshua.
    »Lass meinen Beauty in Ruhe, er ist ein guter Farmer.«
    »Und ein reicher jetzt auch noch«, sagte Beauty lachend. »Ich habe in Newport das ganze Saatgut verkauft.«
    »Und – stark wie ein Pferd«, fuhr Rose fort, während sie Beautys Hinterbein mit einer Spur von Anzüglichkeit tätschelte.
    Beauty streifte mit einem Schwanzschlag ihr Gesicht.
    »Stärker als die Hälfte der schwächlichen Tiere, die du Pferde nennst«, schnaubte er. »Als die edle Rasse der Zentauri von unserem eigenen zu diesem Kontinent hier auswanderte – lange Vor dem Eis, heißt es – seien die hiesigen Zentauren im Vergleich zu ihnen so armselig erschienen, dass sie alle Hundemasken aufsetzten und von da an unter dem Namen ›Pferde‹ gingen.«
    Josh und Rose lachten. Beautys Stolz auf seine Herkunft war ihnen wohlbekannt – viele behaupteten, seine Urururgroßmutter sei eine Anführerin des heldenhaften Zuges über die Landbrücke gewesen, die Vor dem Eis die Kontinente verbunden habe. Aber manchmal blähte der Stolz den Zentaur ein bisschen zu sehr auf, und dann verspotteten ihn seine Freunde gern ein wenig.
    »Der erste Zentaur. Na, ich habe immer gehört«, sagte Joshua glucksend, »dass die Pferde zuerst da waren. Eines Tages begegnete ein Pferd auf der Straße einer Dirne –«
    »Hör auf«, unterbrach ihn Beauty dumpf. »Den Witz kenne ich.«
    »– und die Dirne sagte: ›Ich habe einen großen Schatz zwischen den Beinen, wenn du Pferds genug bist, ihn zu finden‹«, fuhr Joshua fort und lachte in sich hinein.
    Rose blinzelte.
    »Du sollst aufhören«, sagte Beauty warnend.
    »Das Pferd schiebt also den Kopf in ihr Liebesnest, und als es bis zum Hals drinnen ist, bleibt es doch tatsächlich stecken –«
    »Genug!« brauste Beauty auf. Josh und Rose verbargen ihre Erheiterung nicht. Beauty war sehr auf Schicklichkeit bedacht. »Manchmal kannst du richtig flegelhaft und geschmacklos sein«, fuhr er mit leidgeprüfter Miene fort. »Aber du bist eben nur ein Mensch, und da muss man wohl nachsichtig sein.«
    Er konnte jedoch nicht lange zornig sein auf die Wesen, die er liebte, und ließ sich von ihren Abbitten und Schmeicheleien bald wieder besänftigen. So saßen sie bis in den Nachmittag hinein, erwärmt von Sonne und Zusammensein.
    Der Hof stand hoch am Hang eines sanft abfallenden Hügels. In mittlerer Entfernung lag der graue Pazifik. In weiter Ferne, vor dem fast unsichtbaren Horizont, war dort draußen ein kleines Dreieckssegel zu sehen.
    »Ein Boot ganz allein«, sagte Josh nachdenklich. »Pirat?«
    Beauty schüttelte den Kopf.
    »Für einen Piraten zu nah an der Küste. Wahrscheinlich der Postdienst von Port Fresno.«
    »Was hört man in Port Fresno?« fragte Joshua. »Neues über den Krieg? Neue Könige oder Päpste, die
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