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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee
Autoren: Melanie McGrath
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Großraumbüro voller Arbeitskabinen, in denen Leute telefonierten, tippten oder auf ihre Bildschirme sahen. Dazwischen stand, ins Gespräch vertieft, eine Gruppe uniformierter Polizisten.
    Die Frau führte Edie an den Kabinen vorbei in einen Raum, in dem ein etwa fünfzigjähriger Mann mit schütterem Haar an einem Schreibtisch saß und Akten studierte. Sein Gesicht ließ so etwas wie konservative Klugheit erkennen, fand Edie. Die Falten waren wie erstarrter Wellengang, Anzeichen für ein spärliches Repertoire an mimischen Reaktionen. Daran gewöhnt, seine Gefühle für sich zu behalten, dachte sie. Er stand auf, gab ihr die Hand, stellte sich als Detective Bob Truro vor und bedeutete Edie, Platz zu nehmen.
    «Kann Kathy Ihnen etwas bringen?», fragte der Beamte in beiläufigem Ton. «Kaffee? Wasser?»
    «Sie haben wohl keine Robbenfleischsuppe oder vielleicht Flossenbraten?», fragte Edie, obwohl sie die Antwort kannte. Unerklärlicherweise schienen Alaskaner sich für Nordstaatler zu halten, dabei war Alaska nach allem, was sie gesehen hatte, ein südliches Land, auch wenn es hier und da mit nördlichem Eis bedeckt war. Der Blick, den Truro seiner Kollegin zuwarf, bestätigte nur Edies Mutmaßungen. Schon hielt man sie für leicht verrückt.
    «Einen Hamburger können wir Ihnen vielleicht besorgen», sagte er trocken.
    Edie nahm den Raum in Augenschein. Sie fühlte sich jetzt seltsam betäubt, wie entrückt. Vor ein paar Stunden war sie einem Geisterbären gefolgt, der sie zu einem toten Jungen in einem gelben Häuschen im Schnee geführt hatte.
    «Lassen Sie mich feststellen, weshalb Sie hier sind», fuhr Truro fort, als sei das nicht offensichtlich. Er sprach weiter. Wasilla fiel unter die Zuständigkeit des APD , des Anchorage Police Department – der für den gesamten Hauptstadtbezirk Anchorage zuständigen Zentrale –, und weil es sich hier um einen ernsten Fall handelte, hatte das APD die Ermittlungen von der Polizei von Wasilla übernommen, was zum Teil die Verzögerung von Edies Befragung erklärte. Truro hatte die Notizen von diesem Morgen studiert und musste nun etliche Dinge klären. Er entnahm einer geprägten Ledermappe ein paar Papiere und klappte dann den Deckel zu. Die geprägte Aufschrift lautete «Paradise Gospel Church of the Holy» – der Rest war verblasst und unlesbar.
    «Der Mann und die Frau auf dem Motorschlitten …»
    «Es war ein Schneemobil.»
    Er sah müde aus und klang ungeduldig. «In Alaska sagen wir Motorschlitten.» Er fuhr sich mit der Hand über den Nacken. «Also, diese Altgläubigen …»
    Edie beugte sich vor. «Die Leute haben mir nicht gesagt, dass sie Altgläubige sind.»
    Truro rieb sich wieder den Nacken.
    «In den Unterlagen steht, Sie hätten dem Polizisten Wilde, nachdem er Sie von Bürgermeister Hillingberg fortgezogen hat, erzählt, die zwei auf dem Motorschlitten seien Altgläubige. Übrigens hatte der Bürgermeister die Güte, den Vorfall nicht anzuzeigen.»
    Edie zuckte die Achseln. «Der Mann auf dem Schneemobil hat gesagt, ich sei auf Altgläubigen-Besitz, dabei weiß ich nicht mal, was das bedeutet.»
    Truro biss sich auf die Lippe.
    Die Tür sprang auf, und Kathy kam mit einem Tablett herein. Darauf lagen zwei in gelbes Wachspapier gewickelte Hamburger.
    Detective Truro ließ Edie einen Moment Zeit zum Essen. Er sah zu, wie sie das Fleisch aus dem Teig zog und alles, was nicht Fleisch war, in das Papier zurückschob. Die Hamburger holten Edie ein bisschen auf den Boden zurück. Statt sich entrückt zu fühlen, wurde sie jetzt von aufwallendem Entsetzen über ihren Fund im Wald erfasst.
    «Okay», sagte Truro. «Noch mal von vorne.» Er schaltete eine Kamera ein. «Weshalb sind Sie hier, Miss Kiglatuk?»
    «Weil mein Stiefsohn sich den Finger gebrochen hat.» Sie biss in den zweiten Hamburger. Der befriedigende, fette Fleischgeschmack wich sogleich einem abstoßend chemischen Aroma. Sie spuckte das Zeug wieder auf das Brötchen und schob es fort. «Mein Exstiefsohn, wenn Sie es ganz genau wissen wollen. Und das wollen Sie, davon bin ich überzeugt. Mein Exstiefsohn Willa hat sich den Finger gebrochen, deshalb musste ich einspringen.»
    «Ich meinte, was ist der Zweck Ihres Besuches?»
    Sie wandte sich ihm zu. Er hielt den Blick auf sie gerichtet, ruhig, reglos.
    «Das habe ich dem Polizisten schon gesagt. Ich bin zum Iditarod-Rennen gekommen, um Sammy Inukpuk zu unterstützen. Der auch mein Ex –»
    Der Beamte sah sie gequält an und hob die
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