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Die Lanze Gottes (German Edition)

Die Lanze Gottes (German Edition)

Titel: Die Lanze Gottes (German Edition)
Autoren: Dieter Beckmann
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Prolog
    Holy Islands, Northumberland, 793 A.D.

    Das laute Kreischen wirkte kampfesfreudig. Oder war es der verzweifelte Schrei eines hungrigen Tieres? Bruder Jared schaute nach oben. Die Möwe verstummte plötzlich und stürzte wie ein Pfeil Richtung Wasser. Mit einem zappelnden Fisch im Schnabel tauchte sie wieder aus den Wellen auf. Leben und Sterben, dachte Jared, blickte der Möwe nach und sog die kühle Morgenluft gierig ein. Ein wohliger Schauer durchrieselte seinen Körper. Das Schlendern an der Küste bereitete ihm wie jeden Morgen große Freude. Er genoss die Einsamkeit dieses Landstriches und die würzige Luft des Meeres.
    Dieser Geruch. Eine Mischung aus Fisch und Salz. Sein ganzes Leben hatte er am Meer verbracht und fühlte sich nur hier wirklich wohl. Vor drei Jahren war er aus Irland gekommen und lebte seitdem im Kloster Lindisfarne. Gott hatte ihm schon über vierzig Lebensjahre geschenkt und sein größter Wunsch war, die ihm verbleibende Zeit in Lindisfarne zu verbringen.
    Jared schaute auf die Brandung, die seine nackten Füße mit dem Wasser des britannischen Meeres umspülte. Im Osten schob sich der glutrote Ball der Sonne langsam über den Horizont. Es wird ein wunderschöner Tag werden, dachte er.
    Die Sonne schien nicht oft in diesem kalten Landstrich, ein Grund mehr die Sonnenaufgänge nach den Laudes zu genießen.
    »Ein Aufbruch, ein neuer Tag. Es ist die Kraft und die Herrlichkeit Gottes, die sich jetzt und hier offenbart«, murmelte er leise zu sich selbst.
    Jared wollte die Wellen, die um die Insel tobten, noch eine Weile genießen und sich dann wieder seinen Studien und seiner Arbeit widmen. Es erfüllte ihn mit Stolz, den Mönchen von Lindisfarne anzugehören, die als große Künstler und Meister der Kodexmalerei in der ganzen Welt hohes Ansehen genossen. Wie besessen arbeiteten er und seine Mitbrüder an einer Übersetzung des neuen Testaments ins Angelsächsische.
    Jared dachte an den Heiligen Cuthbert. Ihm zu Ehren, um seinen Wundertaten zu huldigen, kopierten sie das prächtige Exemplar der Evangelien. Ähnlich wie der Heilige Cuthbert würde er vielleicht auch einmal Prior in Lindisfarne werden. Der Gedanke verursachte ein Schmunzeln, doch gleich darauf bat Jared Gott ob seiner Eitelkeit um Verzeihung. Denn an seinem Grab würden sich wohl keine Krankenheilungen ereignen, wie an dem des Heiligen, der in der Klosterkirche von Lindisfarne vor über hundert Jahren beerdigt wurde.
    Jared strich sich sein langes, rotes Haar aus dem Gesicht und atmete tief durch, dann ließ er den Blick über das Meer in Richtung Horizont schweifen und sah etwas Merkwürdiges.
    Er beschattete seine Augen mit der Handfläche und blinzelte. Es gab keinen Zweifel: Das waren Schiffe. Fünf an der Zahl. Sie näherten sich langsam der Küste und wurden zusätzlich von Rudern bewegt. Jared hatte solche Boote nie zuvor gesehen. Fischer konnten das nicht sein, denn die Segel waren bunt gestreift. Bis auf das des größten Schiffes, das in blauer Farbe leuchtete.
    Eine Weile starrte er wie gebannt auf das Meer. Seine Augen konnten sich gar nicht von den fremd aussehenden Schiffen lösen. Dann besann er sich und beschloss, schnell zurück zum Kloster zu laufen, um seinen Brüdern von den Geschehnissen zu berichten.
    Der zähe Sand erschwerte seine Schritte. Er blickte sich noch einmal um. Die großen und wuchtigen Schiffe waren bereits ganz nah. Die Ruder wurden eingezogen und sie glitten zu seiner Verwunderung scheinbar mühelos auf den Sand. Mehrere Männer sprangen an Land. Sie trugen Schwerter und Streitäxte an ihren Gürteln und Rüstungen, die aussahen wie die Schuppen von Fischen.
    Plötzlich überkam ihn eine seltsame Panik. Sein Herz raste, die Kehle schnürte sich ihm zu und er bemerkte, wie seine Beine zitterten. Eine Art Vorahnung, eine nie gekannte Furcht, kroch in ihm hoch. Jared wusste nicht warum, doch er spürte, dass von diesen Männern eine Gefahr für ihn und seine Brüder ausging.
    Er lief los, rannte immer schneller Richtung Kloster, das nach einiger Zeit vor ihm auftauchte. Völlig außer Atem lief er durch das Haupttor und stolperte die lange Treppe hinauf, direkt in das Dormitorium. Einige seiner Mitbrüder schliefen noch.
    »Wacht auf, Brüder!«
    Fast alle waren sofort hellwach. Einer der jüngeren Mönche reckte seine Arme und rieb sich verschlafen die Augen. Jared zog ihn an den Schultern hoch. »Lauf schnell zu Prior Edmund! Hol ihn her! Fremde Männer in unheimlichen Schiffen sind
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