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Die Lanze Gottes (German Edition)

Die Lanze Gottes (German Edition)

Titel: Die Lanze Gottes (German Edition)
Autoren: Dieter Beckmann
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Ragnarson schwieg einen kurzen Augenblick und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Dann wandte er sich Jared erneut zu. »Zusammen mit der Kaiserehre sollte Carolus Magnus in Rom diese Lanze von dem, den ihr Papst nennt, überreicht werden, damit niemand mehr seine Macht infrage stellt. Euer Kloster, im Reich seines Verbündeten König Ethelreds, schien ihm ein gutes Versteck für den mächtigen Speer zu sein. Niemand sollte davon wissen. Doch die Götter wiesen uns den Weg. Ich bringe euren heiligen Speer in die Nordmeere und noch viele Generationen werden von den ruhmreichen Taten des Olaf Ragnarson berichten. Die Lanze macht Thors Völker auf immer unbesiegbar für den Frankenkönig. Berichte von dem, was du gesehen und gehört hast! Nie wieder werden seine gepanzerten Reiter hinter dieser Zauberwaffe Schutz finden!«
    Darum lebe ich also noch, dachte Jared. Ich soll die Botschaft an Carolus Magnus übermitteln. Jared konnte sich noch gut daran erinnern, wie einige Jahre zuvor eine Abordnung des Frankenkönigs die Heilige Lanze nach Lindisfarne brachte, unmittelbar nach den Feldzügen gegen die Sachsen. Die Mönche in Lindisfarne wussten um die Bedeutung dieser Reliquie und die Macht, die sie auf Menschen ausübte. Doch was konnte er tun? Er war nur ein Mensch und nicht fähig, diese schwer bewaffneten Nordmänner allein zu bezwingen. Darüber hinaus wusste er nicht einmal, auf welchem der Schiffe die Lanze versteckt war.
    Jared bekreuzigte sich und fiel vor dem Nordmann auf die Knie. Im war bewusst, wie gering seine Macht war, doch er spürte auch eine seltsame Kraft in sich. Gott hatte ihn nicht in Lindisfarne sterben lassen, ihn stattdessen zu seinem Werkzeug gemacht. Jared schaute den Nordmann mit erhobenem Haupt an. »Ich werde dem Frankenkönig deine Botschaft überbringen.«
    Olaf Ragnarson nickte, drehte sich um und ließ ihn auf der Düne zurück.
    Noch eine Weile sah Jared den Schiffen nach, bis sie nur noch kleine, dunkle Punkte im Ozean waren. Dann machte er sich auf den Weg und schwor dem Herrn Jesus Christus, seine Erlebnisse aufzuschreiben, um sie für die Nachwelt zu erhalten.

Erster Teil
1051 bis 1063

I
    »Deine Augen werden vieles sehen und deine Ohren manches hören, doch die Wahrheit kannst nur du allein für dich finden«, sagte Siegmar von Esken. Janus saß hinter seinem Vater im Sattel und umklammerte dessen Bauch. Siegmar hatte ihn mit auf die Jagd genommen. Wieder einmal sprach sein Vater so merkwürdige Worte. Diesmal ging es um Wahrheit. Das war nicht neu für Janus und es erfüllte ihn mit Stolz, dass sein Vater mit ihm redete, als sei er schon erwachsen, obwohl er erst sechs Jahre alt war.
    Graf Siegmar von Esken galt allerorts als ein gottesfürchtiger Mann, jedoch pflegte er neben seinem christlichen Glauben noch einige der alten sächsischen Traditionen. Das machte ihn für viele Menschen schwer einschätzbar. Nicht für Janus. Obwohl noch ein Kind, hatte er das Gefühl, seinen Vater zu verstehen, der oft ein Wort benutzte, dass viele Menschen fühlen, aber nicht begreifen konnten: Freiheit. Janus verehrte seinen Vater, auch weil er gemeinhin als gerechter Lehnsherr galt. Wurden andere Söhne oft gezüchtigt, so nahm Siegmar von Esken ihn beiseite und erklärte ihm seine Welt, in der Vorstellungen von eben dieser Freiheit einen großen Platz einnahmen.
    Janus blickte in den Himmel. Eben schien noch die Sonne, jetzt zogen dunkle Wolken herauf. Es sah nach einem Unwetter aus. Er dachte über den letzten Satz seines Vaters nach, den er nicht verstand. Die Wahrheit kannst nur du allein für dich finden? Unbemerkt schüttelte er den Kopf und beschloss das Thema zu wechseln. »Vater, wann werde ich meinen Dienst auf Burg Gleiberg beginnen?« Eigentlich sollte er schon im vergangenen Jahr die Ausbildung als Page bei einem Freund der Familie, dem Grafen von Gleiberg, antreten, doch sein Vater schob die Abreise immer wieder hinaus.
    Siegmar zog die Zügel straff und hielt den Zelter an. Er drehte sich zu ihm um und atmete tief durch. »Der Tod kommt schnell, mein Sohn, doch bevor er mich ereilt, will ich dir möglichst viele meiner Gedanken mitgeben. Das ist der Grund, warum ich deine Abreise immer wieder verschoben habe.«
    Janus´ Blick fiel auf den Saum der Tunika seines Vaters, der mit alten Symbolen bestickt war. Immer wieder redete sein Vater von diesen alten Zeichen und erzählte, dass sie ihren Vorfahren viel bedeutet hatten. Eines dieser Symbole trug Janus an einem Lederband
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