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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee
Autoren: Melanie McGrath
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dem allgegenwärtigen Benzingestank lag ein neuer Geruch in der Luft. Es roch jetzt nach Harz, und etwas Würziges zog vom Eis der Cook-Inlet-Bucht in die Stadt hinein.
    Otis und Annalisa Littlefish waren schon im Hotel und warteten in der Lobby auf sie. Annalisa hatte sich die Haare geölt, trug ein paar perlenbesetzte Anhänger in den Ohren und begrüßte Edie nervös. Die beiden Frauen tauschten verlegen ein paar nichtssagende Höflichkeiten. Otis hatte sich nicht verändert; er war zerfurcht und introvertiert, und Edie hatte das Gefühl, als spiegele seine steife Hüfte das wieder, was mit seinem Herzen los war. Sie waren absichtlich früher gekommen. Annalisa musste ein oder zwei Dinge sagen, die gesagt werden mussten, ein paar Sachen richtigstellen. Kein Wunder, dass sie nervös war.
    Sie suchten sich in einer Ecke der Lobby eine Sitzgruppe und bestellten Kaffee. Während sie warteten, fummelte Annalisa an ihren Ohrringen herum. Ein Kellner erschien, stellte eine große Stempelkanne, ein paar Tassen und Untertassen auf den Tisch und ging wieder. Annalisa reichte Edie eine Tasse. Ihre Hand zitterte.
    «Ich mag es gern geradeheraus», sagte Edie, auch, um es Annalisa ein bisschen leichter zu machen, «warum sagen Sie nicht einfach, was Sie sagen müssen?»
    «Ich glaube, wir wollen uns entschuldigen, und wir wollen uns bei Ihnen bedanken.» Annalisa warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu. Otis Littlefish blinzelte.
    «Fangen wir mit den Entschuldigungen an, dann können wir mit was Angenehmem aufhören.»
    Annalisa schloss die Augen. Der Schmerz auf ihrem Gesicht war unerträglich. Als sie die Augen wieder aufschlug, standen Tränen darin.
    «Es tut mir leid, dass ich Ihnen nicht die Wahrheit darüber gesagt habe, wie Lucas gestorben ist.»
    Edie war noch nicht so weit, ihr zu verzeihen. Wäre Annalisa ehrlicher zu ihr gewesen, wären Edie jede Menge Schwierigkeiten erspart geblieben. Trotzdem, die Frau hatte versucht, ihre Tochter zu beschützen. Das hätte jede Mutter so gemacht.
    «Verstanden», sagte sie. «Und jetzt die Dankbarkeit?»
    Annalisa brachte ein Lächeln zustande.
    «Danke, dass Sie versucht haben, Gerechtigkeit für unseren Enkelsohn zu bekommen. Und danke, dass Sie die Wahrheit für sich behalten haben.»
    Edie lehnte sich zurück und ließ auf sich wirken, was sie gehört hatte. Es fühlte sich so gut an wie das Bad in einem Sommersee.
    «Besuchen wir TaniaLee», sagte sie.

    Das Mädchen saß im Besuchszimmer der Abteilung Kiefernholz. Sie wirkte immer noch schwach, aber ihre Augen waren klar und nahmen Anteil – ihre Ausstrahlung hatte sich verändert. Edie wusste, dass TaniaLee in die Welt zurückgekommen war, und es war klar, dass auch TaniaLee sich dieser Veränderung bewusst war. Sie hatte sich hübsche Fellbänder in ihren Zopf geflochten und eine Perlenkette angelegt. Sie umarmte ihre Eltern und ging dann auf Edie zu. Plötzlich verschwand ihr Lächeln.
    «Was ist mit deinen Händen passiert?»
    «Das ist eine lange Geschichte», sagte Edie. «Die erzähle ich dir ein anderes Mal.» Sie hatte sehr lange über die Version der Ereignisse nachgedacht, die sie TaniaLee erzählen wollte, und die Geschehnisse der letzten paar Wochen passten nicht zu dieser Geschichte.
    «Ich weiß, dass Tommy Schofield – Fonseca – tot ist», sagte TaniaLee. «Es ist okay. Als ich krank war, gingen mir viele Sachen durch den Kopf, die da nicht hingehörten.»
    Annalisa lächelte ihrer Tochter zu. In ihren Augen lag Stolz. Sogar Otis verzog die Lippen zu einem winzigen Lächeln.
    Edie drehte sich zu TaniaLees Eltern um. «Darf ich mich zehn Minuten allein mit ihr unterhalten?» Sie setzte sich auf das Sofa im Besuchszimmer und bedeutete TaniaLee, sich zu ihr zu setzen.
    «Ich möchte dir eine Geschichte erzählen», sagte Edie. «Ich habe diese Geschichte noch nie jemandem erzählt, und ich weiß nicht, ob sie dir hilft oder nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass sie dir vielleicht später, viel später einmal, helfen kann, und ich will, dass du sie dir merkst.»
    TaniaLee sah sie stumm und erwartungsvoll an; ihr Blick war feierlich.
    Leise fing Edie an zu erzählen. «Es ist die Geschichte von einer Frau, nicht ganz so jung wie du, aber trotzdem jung. Sie kam mit einem zusammen, den sie liebte, aber die beiden hätten nie zusammen sein dürfen, weil sie beide tranken und jeder den anderen dazu ermutigte. Weil sie tranken, kümmerten sie sich nicht gut um die Kinder, die er schon hatte. Und wieso? Weil
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