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Zeichen im Schnee

Zeichen im Schnee

Titel: Zeichen im Schnee
Autoren: Melanie McGrath
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‹Eskimoschlampe› eingeben.»
    Megan zog die Augenbrauen hoch. Sie tippte die Worte ins Suchfenster und klickte einen Link zu einer YouTube-Seite an. Der Clip trug die Überschrift «Wütende Eskimofrau wirft Schneeball auf Gouverneurskandidatin Marsha Hillingberg.» Und er hatte 187 945 Klicks. Megan schlug stöhnend die Hände vors Gesicht.
    «Die Eskimoschlampe sagt, spiel’s ab», sagte Edie. Sie konnte kaum fassen, dass fast zweihunderttausend Leute gesehen haben sollten, wie Marsha Hillingberg einen Schneeball in die Fresse bekam.
    Megan drückte auf Start. Derjenige, der das Geschehen gefilmt hatte, hatte zuerst eingefangen, wie Edie den Schneeball wirft und dann auf Marsha Hillingbergs Reaktion geschwenkt. Dann erklang Edies Stimme, gedämpft, aber trotzdem verständlich:
Sie werden fallen, Marsha Hillingberg! Gottes kleiner Fehler wird Ihr größter sein.
    Das Filmchen stoppte.
    «Was wissen Sie, Sharon?», fragte Edie ruhig.
    Nach einer kurzen Pause war abgehacktes Schluchzen zu hören.
    «Gottes kleiner Fehler, haben Sie gesagt.» Sharon putzte sich die Nase.
    Megan fragte tonlos: «Betrunken?»
    Edie zuckte die Schultern und fragte dann so einfühlsam, wie sie nur konnte: «Hören Sie, Sharon, es ist wirklich spät, wieso gehen Sie nicht einfach ins Bett? Sie können mich ja morgen früh wieder anrufen.»
    «Glauben Sie, bei dem, was ich weiß, könnte ich schlafen?» Sharons Stimme rutschte eine Oktave nach oben.
    «Woher soll ich das wissen?» Edies Hände brannten wie Feuer, und sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht die Geduld zu verlieren.
    «Ich werde es Ihnen sagen, aber ich habe Angst.»
    Edie stieß einen langgezogenen Seufzer aus. «Angst? Wir haben alle Angst! Damit das klar ist, Sharon: Die einzigen Leute, die keine Angst haben, sind die Toten, und sogar die werden ab und zu ein bisschen nervös.»
    Wieder eine Pause am anderen Ende. «Ich weiß, was Sie über Tommy Schofield denken.»
    «Dann müssen wir das ja nicht mehr diskutieren.» Edie räusperte sich. «Angesichts der Tatsache, dass es Mitternacht ist.»
    «Ich hatte ein schlechtes Gewissen wegen dem Anruf bei Ihnen, Edie. Aber Sie hätten nicht in Tommys Büro kommen dürfen und so tun, als wären Sie wer anders. Sie mögen Marsha Hillingberg nicht besonders, oder?»
    «Also, eine Weihnachtskarte würde ich ihr eher nicht schicken.»
    «Tommy hat sie gehasst. Er hat sie Höllenberg genannt.»
    «Witzbold», sagte Edie trocken.
    Sharon ließ sich nicht beirren. «Als Otis und Annalisa Littlefish kurz nach Thanksgiving ständig im Büro aufkreuzten, wusste ich, dass etwas nicht stimmte. Eine Zeitlang schien es Mr. Schofield nichts auszumachen, aber als Weihnachten vorbei war, wurde er langsam unruhig. Wenn er ins Büro kam, gähnte er, als hätte er nachts nicht geschlafen, und zu mir wurde er immer unfreundlicher. Einmal dachte ich sogar, ich hätte ihn in seinem Büro weinen gehört, aber dann kam er strahlend wieder raus, als wäre nie was gewesen. Er hat auch viel am Telefon rumgebrüllt. Dass er sich – dass er sich das Leben genommen hat, habe ich zuerst von meiner Nachbarin Diane gehört. Sie hatte es auf der Homer-Website gelesen. Ich musste danach das Büro ausräumen. Dabei fiel mir die Kombination für den Safe in die Hände.»
    Edie beugte sich vor. Langsam wurde die Sache interessant.
    «Wahrscheinlich hätte ich nicht reinschauen dürfen. Dadrin lag ein ganzer Stapel Zeug, nur Unterlagen. Nichts, was mir irgendwas gesagt hätte. Da waren so viele Akten, jede Menge Mist, wissen Sie, ich wusste echt nicht, was ich davon halten sollte. Aber mittendrin lag eben auch eine Akte, auf der in Tommys Handschrift ‹Gottes kleiner Fehler› stand.»
    Edie und Megan sahen sich an. Jetzt war die Sache aber wirklich interessant. Sharon hatte den YouTube-Clip gesehen und gehört, wie Edie denselben Ausdruck benutzt hatte. Und sie hatte eins und eins zusammengezählt.
    «Also habe ich die Unterlagen rausgeholt.» Sie klang atemlos, als würde sie die Szene im Geiste noch einmal durchleben. «Edie! Es war eine Karte dabei – Sie wissen schon, so eine Speicherkarte für Fotoapparate? Ich kenne mich mit dem ganzen Technikkram nicht so gut aus, also bin ich damit zu einer Freundin gegangen.»
    «Bilder?»
    «Nein. Es war die Aufzeichnung von einem Telefonat.»
    Edies Atem ging schneller. Sie warf Megan einen kurzen Blick zu. Megan machte ein höchst konzentriertes Gesicht.
    «Bin ich jetzt ein schlechter Mensch?», fragte Sharon
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