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Zauberkusse

Zauberkusse

Titel: Zauberkusse
Autoren: Voosen Jana
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leid tut. »Ein Zaubertrank kann sie einem ins Bewusstsein bringen.« In diesem Moment legt mir jemand die Hand auf die Schulter und als ich mich umdrehe, steht Michael Lange vor mir und grinst mich an.
    »Hallo Luzie.«
    »Michael«, rufe ich überrascht aus. »Entschuldigt mich«, wende ich mich an meine beiden Gesprächspartner und erhebe mich. »Was machst du denn hier?« Erst, als ich meine Arme schon um seinen Hals gelegt habe, wird mir klar, dass diese Art von Vertraulichkeit zwischen uns bislang nicht üblich war. Anscheinend habe ich ihn ziemlich überrascht, denn für eine Sekunde versteift sich sein Körper, bevor er mich sanft an sich drückt. Verlegen mache ich mich von ihm los und sehe zu ihm hoch. Was ist denn bloß in mich gefahren? Ich sollte aufhören mit dem Prosecco. Vielleicht liegt es auch daran, dass er keine Uniform trägt, sondern Jeans und einen schmalen, beigen Pullover.
    »Die Spatzen pfiffen es von den Dächern«, beantwortet er meine letzte Frage.
    »Thekla?«, hake ich nach und er nickt. Natürlich, das hätte ich mir ja denken können. Die alte Kupplerin!
    »Die vielen Plakate an den Litfasssäulen haben allerdings ihr Übriges getan«, meint er weiter und droht mir mit dem Zeigefinger. »Ist dir klar, dass du dich damit ein wenig jenseits der Legalität bewegst?«
    »Ähm, nun ja«, einen Augenblick ziehe ich in Erwägung, einfach die Dumme zu spielen, dann nicke ich aber doch. »Das ist mir klar«, gebe ich zu, »aber ich kann einfach nicht von alten Gewohnheiten lassen.« Er grinst anerkennend. »Bin ich verhaftet?«, setze ich noch einen drauf und er wiegt den Kopf hin und her, als müsste er scharf nachdenken. Leider komme ich nicht dazu, seine Antwort abzuwarten, denn in diesem Moment kommt Thekla auf mich zugeeilt und packt mich am Arm:
    »Luzie, du musst sofort mitkommen. Eine Katastrophe«, keucht sie atemlos und schleppt mich unter den neugierigen Blicken aller Gäste mit sich fort.
    »Um Gottes Willen, was ist denn los?«, frage ich, als sie mich durch die Türe in ihr Zimmer schubst. Wie angewurzelt bleibe ich stehen und lasse meinen Blick durch den Raum wandern. Alle Achtung! Die viertausend Differenzbetrag, die sie vom Scheck ihrer Versicherung noch übrig hatte, hat sie erstklassig angelegt.
    »Thekla, das ist ja wunderschön«, flüstere ich ergriffen und taste nach ihrer Hand. Ich fühle mich wie in ein Märchen aus tausendundeiner Nacht versetzt. Edle Stoffbahnen hängen von der Decke und vermitteln den Eindruck eines Baldachins, auf den die Tapete farblich perfekt abgestimmt ist. Ich mache einen Schritt und versinke förmlich in dem flauschigen Teppich. Ein steinerner Zimmerbrunnen plätschert in einer Ecke vor sich hin, Theklas neuerworbene Zauberutensilien befinden sich in einer Vitrine an der Wand. Silberne Kerzenleuchter schenken ein sanftes Licht, von irgendwoher dringen zarte, sphärische Klänge an mein Ohr. »Einfach großartig«, jubele ich los und will Thekla um den Hals fallen, doch ihr Gesichtsausdruck lässt mich mitten in der Bewegung erstarren. »Was ist los?«, erkundige ich mich, doch sie schüttelt nur mit düsterer Miene den Kopf und lässt sich auf eins der Sesselchen fallen.
    »Es ist alles aus. Aus und vorbei.«
    »Wie meinst du das?«, frage ich beunruhigt und ziehe mir einen zweiten Sessel heran.
    »Ich habe meine Gabe verloren«, meint sie müde.
    »Du hast was?«
    »Ich kann nicht mehr zaubern. Und nicht mehr Kartenlegen. Geschweige denn Gedanken lesen«, sagt sie in jammervollem Ton und fängt plötzlich an zu schluchzen: »Was machen wir jetzt bloß? Draußen warten die Leute und ich …« Hier versagt ihr die Stimme und ich tätschele ihr die Hand:
    »Nun beruhig dich mal. Das kann doch nicht sein, dass du plötzlich nicht mehr zaubern kannst.«
    »Natürlich kann das sein«, regt sie sich auf. »So plötzlich, wie die Gabe kam, so schnell ist sie auch wieder weg.« Hilflos schaue ich auf ihren gesenkten Kopf und die zuckenden Schultern. Meine Gedanken rasen, nun ist guter Rat teuer. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass in spätestens zehn Minuten meine Begrüßungsrede und damit auch die Ankündigung der großen Magierin Madame Thekla fällig ist.
    »Na ja, dann wirst du wohl einfach so tun müssen, als ob«, meine ich pragmatisch, womit ich mir einen empörten Blick einhandele.
    »Niemals«, sagt sie und presst störrisch die Lippen aufeinander.
    »Wir haben aber keine andere Möglichkeit«, beschwöre ich sie, aber sie lässt sich
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