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Überfall im Hafen

Überfall im Hafen

Titel: Überfall im Hafen
Autoren: Stefan Wolf
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1. Ankunft in Sauerlichs Elternhaus
     
    „Vielleicht haben wir Glück“, meinte
Klößchen, „und es verirrt sich ein weißer Hai in den Hafen, während wir da
sind. Ein weißer Hai oder ein anderes Meeresungeheuer.“
    Tim — früher Tarzan genannt — hockte im
Schneidersitz auf seinem Bett und feilte die Zehennägel. Das muß ab und zu
sein, denn Turnschuhträger laufen sich nicht wie Hunde die Krallen kurz. Gerade
hatte er den kleinen Zeh links bearbeitet — und er war mit dem Ergebnis
zufrieden.
    „Willi, du spinnst“, stellte er fest.
    „Wieso?“
    „Noch nie hat sich ein weißer Hai in
einen norddeutschen Hafen verirrt. Ganz zu schweigen von Riesenkraken,
Mörderwalen und Seeschlangen.“
    Klößchen grinste. „Was nicht ist, kann
ja noch werden. Wenn wir da sind, passiert immer mehr als zu normalen
Zeiten.“
    „So würde ich’s nicht ausdrücken. Das
hieße ja, TKKG könnte Katastrophen auslösen. Nein! Die Ereignisse sind immer
da. Aber scheinbar verdeckt, weil die meisten Zeitgenossen mit geistigen
Scheuklappen rumlaufen und keinen Blick für die Umwelt haben. Wir — jawohl! —
sehen, wo es brennt. Und löschen.“
    „Löschen ist gut“, nickte Klößchen.
„Meines Wissens ist der Hafen voller Wasser. Muß auch sein. Sonst würden die
Schiffe umkippen. Du, ich freue mich riesig. Vor allem auf Oma. Habe ich dir
schon erzählt, wie meine Oma Rosalinde heißt?“
    „Nein.“
    „Dann muß ich’s nachholen. Sie heißt
Rosalinde, geborene Plessenhof. Hat dann den Sauerlich geheiratet, der mein Opa
war, aber inzwischen verstorben ist. Als Oma jung war, wurde sie Rosl genannt —
etwa bis 17. Dann hieß sie bei jedem Rosa. Etwa bis 59. Jetzt ist sie hoch in
den Siebzigern, und alle sagen Rosalinde. Wie findest du das?“
    „Angemessen. Mit zunehmendem Alter
greift auch die Würde um sich.“
    Klößchen nahm ein Stück Schokolade.
Genießerisch zog er es unter der Nase vorbei — wie ein Nikotinsüchtiger die
Zigarette, nach der seine gequälte Lunge verlangt. Erst dann legte er sich den Kakaobrocken
auf die Zunge.
    „Nur noch zwölf Stunden, Tim“, mümmelte
er. „Morgen vormittag geht’s los.“
    „Ich freue mich genauso.“
    Und Gaby auch. Und Karl auch, dachte
er. Ist ja auch riesig von Klößchens Vater, daß er uns schon wieder einlädt.
Willi brauchte gar nicht zu drängen. Sein Wunsch, daß wir mitkommen, war kaum
ausgesprochen, da hat Herr Sauerlich schon genickt. Irre großzügig, wie er ist.
    Heute war Freitag. Den Vormittag hatten
fünf Unterrichtsstunden verdorben. Aber mit dem letzten Gongschlag brachen die
Pfingstferien an.
    Die Heimreise zu seiner Mutter lohnte
sich für Tim nicht. Frau Carsten, die zur Zeit in einem Großbetrieb arbeitete,
befand sich mit ihrem Chef und leitenden Angestellten auf einer Geschäftsreise
in den USA. Rückkehr erst in zehn Tagen.
    Um zu Hause allein rumzuhängen, dachte
Tim, mache ich mich gar nicht erst auf die Socken. Da bleibe ich lieber hier im
Internat. Und wenn ich der einzige bin von 500 Schülern.
    Langweilig wäre das bestimmt nicht
geworden. Gaby war da. Außer einem Nachmittagsausflug in die nähere Umgebung
hatten ihre Eltern nichts geplant. Bei Karl stand es ähnlich. Lediglich bei
Klößchen sah’s anfangs bedenklich aus. Sein Vater, der Schokoladenfabrikant
Hermann Sauerlich, hatte beschlossen, Pfingsten seine Mutter zu besuchen. Daß
der Junior mit mußte, war selbstverständlich. Und der dachte sofort: Nur wenn
meine Freunde dabei sind.
    Zustimmung allerseits — und damit war
die Sache geritzt.
    Tim stand auf, durchquerte mit zwei
Schritten die Bude ADLERNEST und öffnete seinen Schrank.
    „Schon gepackt, Willi?“

    „Nöh.“
    „Dann fang an.“
    „Jetzt schon?“
    „In der Eile morgen vergißt du wieder
alles.“
    „Was ich vergessen will, vergesse ich
auch jetzt. Aber Schoko bestimmt nicht. Außerdem: Wie ich meine herzensgute Oma
kenne, hortet sie einen größeren Vorrat für mich in ihrer Hütte.“
    „Hütte?“
    „Naja. Es ist mehr eine Villa. Mit 14
Zimmern. Draußen im Grünen, jedenfalls am Stadtrand, wo Oma sich ein bißchen
fürchtet, weil es abends und nachts so total ruhig ist. Könnte uns nicht
passieren, hähähäh. Aber sie wohnt allein in der Villa. Und Opa hatte genauso
viel Kohle wie mein lieber Vater. Deshalb ist in der Hütte alles vom Feinsten.
Da könnte einem Einbrecher schon mal das Wasser im Mund zusammenlaufen.“
    „Hoffentlich kommt er, wenn wir da
sind“, lachte Tim. „Ist mir
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