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Zähl nicht die Stunden

Titel: Zähl nicht die Stunden
Autoren: Joy Fielding
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nicht bitten, noch mehr aufzugeben.
    Es war an der Zeit.
    »Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich liebe?«, fragte Mattie. »Hast du eine Ahnung, wie viel Freude du in mein Leben gebracht hast?«
    »Und weißt du, wie viel Freude du in meins gebracht hast?«, fragte er zurück.
    Es klingelte.
    »Das ist Lisa«, sagte Mattie, als Aurora zur Tür ging und der Hund die Treppe hinunter rannte und bellend um ihre Füße sprang.
    »Wie geht es Mattie heute?«, hörte Mattie Lisa fragen, als Jake sie im Flur begrüßte.
    »Sie wirkt ein wenig niedergeschlagen«, hörte sie Jake sagen.
    »Vielleicht sollte ich nicht weggehen.«
    »Unsinn«, stieß Mattie hervor, und die Anstrengung löste eine weitere schreckliche Attacke aus, die erst abebbte, als Jake versprach, seine Pläne nicht zu ändern. »Du siehst großartig aus«, sagte Mattie zu Lisa und bewunderte die neue Frisur ihrer Freundin, während sie sich zu erinnern versuchte , wann sie zuletzt in einem Frisörsalon gewesen war.
    »Danke«, sagte Lisa, griff nach ihrer Arzttasche , entnahm das Blutdruck-Messgerät und legte die Manschette um Matties Arm , als wäre das ebenso normal, wie sich zur Begrüßung die Hand zu schütteln. »Du siehst selbst auch ziemlich gut aus.«
    »Danke«, sagte Mattie. Es war zwecklos zu widersprechen. Sie wog
    weniger als 50 Kilo, ihre Haut war so dünn, dass sie beinahe durchsichtig war, und ihr Körper verbog sich wie eine Brezel. Trotzdem beharrten
    weiter alle darauf, dass sie schön sei, als ob ihr Zustand ihr jegliche Urteilskraft geraubt hätte, als ob sie nicht mehr in der Lage wäre, zwischen Wunsch und Wirklichkeit zu unterscheiden. »Danke«, sagte
    Mattie noch einmal. Warum sollte sie nicht glauben , dass sie noch schön war? Was konnte es schaden, so zu tun als ob?
    »Ich habe mit Stephanie und Pam geredet. Wir wollen im nächsten
    Monat eine kleine Party geben. Was sagst du zum 12. Oktober?«
    »Klingt super«, antwortete Jake für sie.
    »Prima«, sagte Lisa und lauschte dem Geräusch des durch Matties
    Adern pulsierenden Blutes. »Ich sag es den anderen, und wir sagen dir Bescheid, wann und wo sie steigt.« Sie ließ das Stethoskop in ihren Schoß sinken und löste die enge Manschette von Matties Arm. »So weit klingt alles okay«, verkündete sie, obwohl ihre Augen ihre Worte Lügen straften. »Hast du schon das Neueste über Stephanies Ex gehört?« Mattie schüttelte den Kopf. »Du weißt doch, dass er angefangen hat, übers
    Sorgerecht rumzutönen, als er das mit Enoch herausgefunden hat.«
    »Ich glaube, ich lasse euch beide alleine und erledige noch ein paar Sachen in meinem Arbeitszimmer«, sagte Jake und küsste Mattie auf die Stirn, bevor er den Raum verließ.
    Lisa fuhr, ohne mit der Wimper zu zucken, fort. »Also, Stephanie hat den Wichser beschatten lassen. Wie sich herausstellt, führt er schon seit geraumer Zeit ein Doppelleben.« Die nächste Dreiviertelstunde hörte Mattie zu, während Lisa ihr alle wichtigen und schlüpfrigen Details berichtete und sie auf den neuesten Stand des Klatsches über Menschen brachte , die Mattie kannte oder auch nicht. Sie erfuhr, welcher Prominente mit wem zusammen war, welche Filme ihre
    Vorschusslorbeeren wirklich verdient hatten und welche eine
    schreckliche Enttäuschung waren, welche Schauspielerinnen Implantate trugen und wer aus der alternden Elite Hollywoods eine
    Schönheitsoperation hinter sich hatte.
    »Glaub mir«, sagte Lisa vertraulich. »Jede Frau über vierzig ohne
    Falten hat sich liften lassen.«
    Mattie lächelte, obwohl sie wusste, dass sie nicht lange genug leben würde, um sich derlei luxuriöse Sorgen zu machen. Was hätte sie für ein paar Falten gegeben! Was hätte sie darum gegeben , sich in eine verschrumpelte alte Pflaume zu verwandeln.
    »Offenbar gibt es ein tolles neues Hörbuch. Den Titel habe ich
    vergessen«, sagte Lisa, »aber ich habe ihn irgendwo aufgeschrieben und bring dir die Kassette beim nächsten Mal mit. Brauchst du sonst noch was?«, fragte sie und sah auf die Uhr, während Mattie zu den Uhren an der gegenüberliegenden Wand blickte. 18.05 oder 18.07. Freie Auswahl.
    So oder so, dachte Mattie, es war an der Zeit.
    »Ich möchte, dass du meine Mutter anrufst«, sagte sie schwerfällig,
    aber deutlich. »Du musst sie fragen, ob sie vorbeikommen kann. Heute Abend.«
    Lisa fand Matties Adressbuch in der Schublade bei dem Telefon und
    rief Matties Mutter an. »Sie ist in einer Stunde hier«, sagte Lisa, als sie auflegte.
    »Wer ist in
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