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Yolo

Yolo

Titel: Yolo
Autoren: Gisela Rudolf
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zu verstehen, was heute Sache ist! Und was die Frauen betrifft: Mir laufen die Studentinnen höchstens noch nach, weil sie sich dadurch bessere Noten versprechen.«
    »Frustriert wirkst du aber nicht.«
    »Bin ich auch nicht. La vita è bella, seit meinem Herzinfarkt schätze ich das Leben doppelt. Dreifach! Um auf deine Frage zurückzukommen, nein, ich lebe alleine.«
    Die Teestunde mit der armen Mamma, eine ergreifende Tragödie mit fataler Komik, zieht sich unendlich in die Länge. Zum Abschied streckt mir Alessandros Mutter wieder die Hand hin, die ich, ohne lange zu überlegen, küsse. Als ich die alte Dame anblicke, lächeln mich ihre Augen an.
    Während der Fahrt nach Florenz reden wir kaum. Es ist nicht die Abendstimmung, die uns dämpft, nicht das Bild der untergehenden Sonne, ich denke, wir sind beide einfach etwas überlastet mit Gefühlen, überfordert auch.
    Dass ich immer wieder einnicke, ist mir peinlich.
    »Entschuldige, aber ich bin gestern Abend versumpft und habe kaum geschlafen.«
    »Allein?«
    »Geschlafen, ja.«
    Bei der Einfahrt auf die Straße, die Florenz umkreist, fragt er: »Zu dir oder zu mir?«
    Ich blicke verunsichert zu Alessandro, der seelenruhig bemerkt: »Ist das nicht die logische Schlussfolgerung?«
    »Du meinst die Logik, die auf den Schluss vor siebzehn Jahren folgen muss?«
    Er lächelt. »Von
müssen
kann nicht die Rede sein. Allora, Felicita, wohin?«
    »Zu dir. Allerdings sollte ich im Hotel noch …«
    »Zahnbürste und Pyjama holen? Kannst du alles von mir haben.«

Alessandro stellte Käse, Brot und Wein auf den Tisch, ein bisschen wie damals, schien es mir. Zum Nachtessen kam es allerdings nicht.
    Die Morgendämmerung war bereits angebrochen, als wir uns doch noch in die Küche setzten. Still saßen wir einander gegenüber. Kaffeegeruch, jeder seine Espressotasse vor sich, ich trug Alessandros Pyjamaoberteil, er die Pyjamahose – die reife Filmszene. Aber da war kein Regisseur, der Anweisungen zum folgenden Geschehen gab. Das Glück der Nacht wich wie das Dunkel dem Tag, die Helle vertrieb auch den Rest meiner Visionen. Ich hatte die Füße unter dem Tisch auf seinen Schoß gelegt, um die Ernüchterung etwas hinauszuzögern.
    »Ich bin alt geworden, nicht wahr?«
    In Alessandros Stimme war etwas, das meinen Widerspruch herausforderte: »Es ist anders gewesen als damals, aber wunderschön!«
    »Ja, nach so langer Zeit …«
    »Glaube mir«, und es kam mir aus dem Herzen, »nie zuvor habe ich mit einem zärtlicheren Liebhaber eine Nacht verbracht. – Du hast mich in Vicchio gefragt, ob ich glücklich sei. Sì, diese Nacht war ich es!«
    »Trotzdem willst du wieder weg.«
    »Ich muss heute Abend unbedingt zu Hause sein.«
    »Weshalb?«
    »Ach, Alesso, es ist eine komplizierte, lange und unerfreuliche Geschichte. Zwinge mich nicht, sie dir zu erzählen. Vielleicht später einmal.«
    »Wirst du denn wiederkommen?«
    »Ich weiß es nicht. Ich bin in einer Phase des Umbruchs, ich brauche das Gefühl absoluter Freiheit. Und du ja auch. Wir können nicht weitermachen, wo wir vor siebzehn Jahren aufgehört haben. Was vorbei ist, ist vorbei.«
    »Vorbei! Ein dummes Wort.«
    »Du zitierst Goethe?«
    Er lachte: »Da sagst du mir etwas Neues!« Er stand auf und zog mich zurück ins Schlafzimmer.
    »Versprich mir zuerst, dass du mich um neun ins Hotel bringst, gegen Mittag fährt mein Zug.«
    Alessandro hätte mir auch alles andere versprochen. Und ich musste mich zurückhalten, ihm nichts zu versprechen.
    Es war einfacher, stumm nebeneinander im Bett zu liegen, als sich am Tisch ohne Worte gegenüber zu sitzen. Ohne Blickkontakt ist Schweigen romantisch. Mein Kopf auf Alessandros Brust, seine Hand in meinem Haar, er war ganz da, ganz mein. Ich genoss seinen warmen Körper, jede Zärtlichkeit ein Geschenk … Meine Gedanken waren aber nicht wirklich bei ihm, sie kreisten nur um mich. Zunehmend stemmte sich alles in mir gegen dieses Idyll. Da unterbrach ich die Stille: »Alessandro, verzeih mir, aber ich möchte aufstehen, duschen und danach gehen.«
    Er setzte sich auf, griff nach einer Zigarette, rauchte. Griff nach einer zweiten Zigarette, rauchte. Endlich äußerte er sich: »Du scheinst die Veni-vidi-vici-Methode zum Grundsatz deines Lebens zu machen.«
    Von diesem Moment an stand die Frage zwischen uns, warum ich überhaupt gekommen war. Alessandro konnte nicht glauben, dass ich keine Antwort darauf hatte. Er drängte mich in eine Verteidigungsrolle. Aber außer ein paar
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