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0540 - Der Fluch der Zigeunerin

0540 - Der Fluch der Zigeunerin

Titel: 0540 - Der Fluch der Zigeunerin
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Arndt, der älteste Sohn des Dorfschulzen, war gerade erst vom Feld zurückgekommen. Seine Sense war an einem Stein zerbrochen, den der Teufel persönlich mitten ins Kornfeld geworfen haben mußte. Arndt wollte sie zum Schmied bringen. Der mußte sie reparieren. Vor der Schmiede blieb Arndt stehen und sah sich den heranrumpelnden Wagenzug an.
    Der muskelbepackte Hinrich gesellte sich zu ihm. Sein schweißglänzender Oberkörper war nackt; in der rechten Faust hielt er den schweren Hammer, in der linken die Zange mit dem rotglühenden Hufeisen.
    »Zigeuner?« brummte er. »Was sind denn das für Leute? Und wie komisch diese Wagen aussehen!«
    »Ich glaube, das ist ein eigenartiges Volk, das kein richtiges Zuhause hat«, sagte Arndt, der Schulzensohn. »Vater hat mal welche gesehen, als er in Thorenhain war, zu der großen Versammlung, du weißt schon. Er sagt, sie stehlen wie die Elstern. Wenn du dich gerade mal umdrehst, reißen sie dir schon die Wäsche von der Leine. Und nachts brechen sie die Ställe auf und stehlen Hühner und Gänse, manchmal auch ein Schwein. Oder sie holen eine Kuh von der Weide und schlachten sie.«
    »Ist ja übel«, brummte Hinrich, der Schmied. »Was wollen die hier? Einer sollte nach Falkensteyn gehen und den Landgrafen bitten, daß er uns ein paar Bewaffnete schickt. Die sollen diese Hühnerdiebe einsperren, bevor sie uns alles wegnehmen!«
    Arndt lachte bitter auf. »Des Falkensteyners Büttel werden uns höchstens selbst wegnehmen, was die Zigeuner uns lassen.«
    »Ist auch übel«, brummte Hinrich. »Aber wir werden etwas tun müssen. Beim Gekreuzigten, was sind das für merkwürdige Wagen? Und wie bunt dieses Diebesgesindel angezogen ist! Die halten sich wohl für Adelige, wie?«
    »Einige von ihnen sind es vielleicht auch«, gab Arndt zu bedenken. »Man sagt, sie hätten einen eigenen König. Dabei haben sie nicht mal ein eigenes Land. Niemand weiß, woher sie kommen. Heute sind sie hier, am Sonntag anderswo. Sie bleiben nie lange an einem Ort. Ein paar Tage nur.«
    »Am Sonntag schon wieder anderswo?« grummelte der Schmied, dessen Hufeisen sich allmählich abkühlte. »In die Kirche wollen sie wohl nicht gehen, wie? Ist ja übel.«
    Die ersten Karren waren heran. Sie wurden von kleinen Eseln gezogen, manche auch von Ochsen. Sie sahen aus wie kleine Häuser, die man mit Achsen und Rädern versehen hatte. Es gab Türen und Dächer, ja sogar Fenster mit Klappläden, und aus so manchem dieser Fensterchen ragte auch ein Ofenrohr in den Himmel. Barfüßige Jungen mit Stöcken liefen neben den Wagen her und trieben die Zugtiere an. Bei manchen Wagen saßen auch Knaben oder Männer auf schmalen Brettern über den Deichseln und schwangen die Peitsche. Manchmal knallte es ohrenbetäubend, gerade so, als hätte der Dorfschulze seine alte Flinte abgefeuert.
    Die Flinte, das Pulver und das Holzbein, auf dem er humpelte, waren Erinnerungen an den Krieg des Ritterordens gegen den König Kasimir von Polen, der 13 lange Jahre gewährt hatte und vor fünf Jahren für beendet erklärt worden war; da konnte der alte Veteran endlich nach Tannau heimkehren und war zum Dorfschulzen gemacht worden.
    Wer gewonnen hatte, wußte er nicht einmal zu sagen. Niemand hatte es für nötig gehalten, dem einfachen Soldaten zu erzählen, ob es sich wenigstens gelohnt hatte, daß er sein Bein in der letzten Schlacht gelassen hatte.
    Kugeln goß er manchmal noch selbst, aber das Pulver war alt geworden und zündete nicht immer. Neues bekam er nicht; die Feuerwaffen waren den Bauern verboten. Und wenn er einmal in die Stadt reiste, hatte er anderes zu tun, als in windigen Spelunken noch windigere Gesellen anzusprechen, die ihm für teures Geld etwas von dem Schwarzpulver abließen, das sie aus den Rüstkammern des Landgrafen stibitzten.
    Arndt musterte argwöhnisch die Männer und Frauen in ihrer bunten Kleidung. Nichts paßte so recht zusammen. Aber es war ein seltsam schöner Anblick, wie er ihn noch nie gesehen hatte.
    Die Zigeuner gingen stolz und hochaufgerichtet. Jeder der Männer trug ein Messer im Gürtel. Alle waren sie schwarzhaarig und mit einer Haut, die brauner war als die der Männer und Frauen, die tagein, tagaus auf den Feldern schufteten, um dem Falkensteyner den Zehnten zu erwirtschaften.
    Nicht alle der Karren waren wie winzige Häuser gebaut. Andere waren mit Leinen überspannt, andere offen. Darauf stapelten sich Käfige mit allerlei Kleingetier. Auch Hunde waren darin eingesperrt. Sie lieferten
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