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Yolo

Yolo

Titel: Yolo
Autoren: Gisela Rudolf
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läutet, noch bevor ich gewählt habe – Alessandro!
    »Du, ich finde es nicht, vielleicht holst du mich doch lieber ab, ich bin …«
    »Was findest du nicht? Hallo! Zita, wo bist du, was ist los mit …«
    Mein Daumen drückt auf
beenden
. Mit Christian will ich mich in dieser Situation jetzt wirklich nicht auseinandersetzen.
    Inzwischen weiß ich Alessandros Nummer auswendig.
    Schon nach dem dritten Klingeln höre ich ihn, seine befremdliche Stimme: »Felicita, dove sei? Wo bist du?«
    »In Vicchio.«
    »Beh, am Bahnhof? Warte dort, ich komme sofort.«
    »Nein, ich bin schon hier, bin auf dem Weg zu dir.«
    Nach dem Versuch einer vernünftigen Standortbeschreibung schnürt mir das Gefühl, mich lächerlich zu machen, die Kehle zu. Ich bin völlig durcheinander. Aufgelöst, zitternd, ringe nach Atem …
    Was soll das Ganze. Bloß fort von hier!
    Der Fluchtgedanke beherrscht mich plötzlich wie in meinen Albträumen, darin renne und renne ich bis zum Erwachen.
    Direkt vor mir stoppt ein hellblauer Fiat, ein Mann, bleich und verfurcht und mit einem Spitzbart, lächelt mir durchs offene Fenster zu.
    Ich bin wie gelähmt – da höre ich im Hintergrund jemanden meinen Namen rufen.
    Auf der gegenüberliegenden Straßenseite steigt Alessandro aus einer Limousine. Hell gekleidet, ein Pullover über den Schultern. Er nimmt die Sonnenbrille ab. Ich laufe ihm entgegen, falle schluchzend in seine Arme.
    »Felicita.«
    Nur mein Name, sonst nichts. Er drückt mich auch nicht an sich, er hält mich einfach fest, wie ein Vater sein Kind.
    Nach einer Weile lasse ich ihn los: »Ich weine nicht aus Freude, « erkläre ich, »es sind die Nerven.«
    Er öffnet mir die Wagentür, wirft Bücher und einen Leinensakko auf den Hintersitz. »Ecco, so, jetzt kannst du dich hinsetzen.«
    Stumm fährt er den Hügel hinauf, als wäre er mein Chauffeur und ich der fremde Gast. Ich betrachte ihn aus den Augenwinkeln. Kurz geschnittenes Haar, keine Locken im Nacken, der Dreitagebart grau – attraktiv noch immer. Seine rechte Hand tippt nervös auf das Steuerrad.
    »Ti prego, gib mir eine Zigarette aus dem Handschuhfach, das Feuerzeug sollte auch dort sein.«
    Ich stecke ihm die angezündete Zigarette in den Mund,
Camel
wie damals.
    »Eigentlich bin ich dabei, mir das Rauchen abzugewöhnen, wäre nach dem Herzinfarkt ja sinnvoll, nicht wahr.«
    »Du hast einen Herzinfarkt …«
    »Überstanden, tutto okay.«
    Der Wagen fährt leise, schaltet automatisch. Früher hatte Alessandro einen Sportwagen. Er liebte es, wenn ich am Steuer saß. Auch anderes unterschied ihn von Schweizern: Er trug Kniesocken und Boxershorts zu einer Zeit, als Mann bei uns noch die weiße Unterhose trug. Und er weihte mich in die Geheimnisse des italienischen Weins ein – ohne Rücksicht auf die Promille, notfalls besänftigte er die Polizisten mit einem Geldschein.
    Auf seinen Händen sind Altersflecken. Einen Ring trägt er nicht. Schmuck hat er nie gemocht; über seine Studenten mit dem Kreuz am Goldkettchen haben wir oft gelacht.
    »Ich erinnere mich nur noch schwach an euer schönes Landhaus.«
    »Es ist ja auch lange her.«
    »Siebzehn Jahre.«
    »Siebzehn Jahre des Schweigens.«
    »Lebst du jetzt immer in Vicchio? Hast du die Uni verlassen? Bist du eigentlich verheiratet?«
    »So viele Fragen auf einmal?«
    »Das ist keine Antwort.«
    »Schulde ich dir Antworten?«
    Nach kurzer Stille: »Du hast also Familie. Wie alt sind deine Kinder?«
    Zugeben, dass ich am Telefon gelogen habe? Ich kann das nicht, nicht jetzt: »Alessandro, scusami, aber mir scheint, ich fahre besser gleich wieder ab. Bringe mich doch bitte zurück zum Bahnhof, ich weiß wirklich nicht, was ich hier soll.«
    »Selbstverständlich bringe ich dich im Wagen nach Firenze. Aber vorher besuchen wir noch meine Mutter, ich habe es ihr versprochen.«
    »Hast du deine Wohnung an der Via de’ Medici noch?«
    »Chiaro, sicher. Warum?«
    »Du hast keinen Telefonanschluss mehr.«
    »Wegen einer Stalkerin. Du glaubst nicht, zu was Leute fähig sind! Aber meine Freunde haben ja die Handynummer und die von hier auch. – Übrigens, Mamma ist gespannt auf dich.«
    »Sie erinnert sich noch an mich?«
    »Wohl kaum, wir werden sehen.«
    »Unser Abschied war ja auch nicht gerade so, wie es sich deine Eltern gewünscht hätten.«
    Alessandro steigt kurz aus, um das Eingangstor zu öffnen.
    Langsam rollen wir über den Kiesweg. Das Landhaus, ockerfarben, wirkt wie neu gestrichen. In der Loggia steht eine Frau.
    »Ist
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