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Held Rama

Held Rama

Titel: Held Rama
Autoren: Alois Essigmann
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 Vorgeschichte – Ravana
    König Ravana von Kekaya hatte mit seinen Brüdern die Burg des Zauberers Siwadatta gebrochen und ihre Mauern geschleift. Tausend Büchslein und Krüglein, mit Pulvern, Kräutern und Salben, hundert Blätter mit geheimnisvollen Sprüchen, und zwei Wagen voll Zauberwaffen aller Art führte der Sieger hinweg und verbarg das gefährliche Gerät in einer fast unzugänglichen Höhle vor der Gier und Gewissenlosigkeit der Menschen. Siwadatta war wie der Fuchs aus dem Bau gefahren und hatte nur einen einzigen seiner gewaltigen Zauber mit auf die Flucht nehmen können. Dieses letzte Mittel zur Rache an seinen Todfeinden behütete er wie seine Augen, um es bei günstiger Gelegenheit zur Hand zu haben. Nicht weit von Ravanas Residenz siedelte er sich im Walde, mitten unter frommen Brahmanen, an und harrte geduldig auf die Zeit der Rache. Niemand erkannte in dem würdigen Klausner Siwadatta den bösen Zauberer. Nach einem langen Jahr des Wartens lieferte das Schicksal ihm seine Feinde aus: Eines Morgens klangen die Hörner des königlichen Jagdzuges durch den friedlichen Einsiedlerwald, und Siwadatta wusste, dass seine Stunde gekommen war. Entschlossen und doch zitternd griff er nach seinem letzten Zaubermittel: Seinen Nachbarn, einen alten, von allen geliebten, frommen Brahmanen namens Ruru, verwandelte er in einen riesigen Eber und hetzte das Tier den königlichen Jägern entgegen. Kühn fing Ravana den Wütenden mit seinem Speere ab, und bald verkündigte des Königs Muschelhorn den Jagdgenossen, dass eine prächtige Beute erlegt sei. Jubelnd umdrängten Brüder und Freunde den glücklichen Jäger, staunten über die Größe des erlegten Ebers, beglückwünschten den König und priesen seinen Mut und seine Stärke. Auch viele von den Klausnern waren herbeigeeilt, und nachdem man sich gegenseitig voll Ehrerbietung begrüßt hatte, lud der König alle die Frommen des Waldes und seine Jagdgenossen zu fröhlichem Jägermahl unter den Bäumen ein. Der Eber wurde von geschickten Händen abgezogen und ausgeweidet, und bald prasselte er an einem gewaltigen Spieße über einem lustigen Feuer. Als der Braten gar war, machten die Gäste sich fröhlich darüber, und bald war die Hälfte des zarten, saftigen Fleisches verzehrt. Da rief Siwadatta plötzlich: »O seht! wir essen vom Fleische unseres frommen Bruders Ruru!« Voll Schrecken starrten alle nach dem Spieß, der noch vor kurzem die Überreste des Ebers getragen hatte: das gespießte Haupt zeigte die schmerzverzerrten Züge des guten Klausners, und von seinem Leib war noch so viel zu sehen, als die Esser von dem gebratenen Eber übriggelassen hatten. Eisiges Grauen schnürte den Entsetzten die Brust zusammen, und die ersten gestammelten Laute, die sich den Lippen des frommen Dorfältesten entrangen, waren ein schrecklicher Fluch über den Geber des greulichen Mahles.
    »Wehe – wehe – Ravana! « stöhnte der zitternde Greis. »Du hast einen Brahmanen ermordet – du hast seinen Leichnam geschändet – du hast fromme, gottergebene Büßer verblendet, dass sie an deinem eklen Mahle teilnahmen und sich vor Gott und der Welt durch Genießen vom Fleische eines der Ihren verunreinigten! – Wehe, du Ungeheuer! – So verfluche ich dich und die deinen, jahrhundertelang als dämonische Ungeheuer durch die Welt zu toben, euch selbst zum Greuel ob eurer Laster und der Welt zur Last ob eurer Greuel! «
    »Schweig – schweig –! « stammelte der König. »Nein! « schrie der furchtbare Alte, »dein Leib soll wachsen wie ein Baum, und deine Nägel sollen wie Messer werden! Deine Haut sei wie faulende Rinde, und dein Haar wie vertrocknetes Schilf! Wie höllisches Feuer soll das Blut in deinen Adern wallen, und zehn Häupter sollen dir wachsen, dass du deine Brunst aus zehn Rachen in die Welt brüllen kannst! Deinem Bruder Kumbhakarna schwelle der Wanst, dass Brahma vor seiner Fressgier für die Welt erzittert! Vibhischana aber, dein jüngster Bruder, vertrockne wie eine Dattel im Winter, auf das jeden, der ihn sieht, das Mitleid schüttelt! Alle die Deinen, du Ungeheuer, von der ersten Gattin bis zum letzten Trossbuben, sollen dir als Dämonen folgen und dir nur da gut dienen, wo du dem Schlechten dienst! «
    Und wie der eifernde Priester in seinem reinen Zorn ob des schrecklichen Frevels Wort um Wort hinausschrie, so erfüllte das Schicksal Zug um Zug den Fluch des bußreichen Brahmanen.
    König Ravana wuchs und stand da als das zehnköpfige Ungeheuer. Er
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