Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Held Rama

Held Rama

Titel: Held Rama
Autoren: Alois Essigmann
Vom Netzwerk:
Notdurft und damit seine letzte. Sie ist das Sinnbild der nährenden Arbeit. Was den Leib erfreut und erhält, fließt aus ihrem Euter und baut den Tempel für Geistiges und Göttliches. Aus ihm strömt Nahrung, Kraft und Macht.
    Göttlichen Ursprungs ist meine gute Nandini und des Sinnbildes Leibhaftigkeit. Was ich von ihr erbitte, wird mir gewährt, ohne dass es den langen Weg des Werdens in Arbeit wandeln muss!«
    Dann kraute der Heilige seinem Liebling die Stirne und sprach zu ihm:
     
    »Scheckin! für die Schar der Gäste
    Schaff' zum Mahle mir das Beste,
    Dass ein jeglicher genieße,
    Was ihm schmeckt!
    Der liebt das Süße,
    Saures der, und jener scharf –
    Gib nach jedermanns Bedarf.
    Herbe Kost ist auch willkommen,
    Salzig mag so manchem frommen,
    Bitter ist mir noch bewusst
    Als des Gaumens letzte Lust.
    Sechsfach ist Geschmackessinn!
    Dein Geschenk erfreue ihn!«
     
    Und wie aus der Wolke der Regen, quoll aus dem Euter des Wundertieres ein Strom von Milch und Honig, von Beeren und Früchten, von Wein und den köstlichsten Tafelfreuden aller Art. Da war für eines jeden Geschmack gesorgt, und des Königs Krieger und Knechte, seine Frauen und Sklaven schwelgten bis zum dämmernden Abend und freuten sich der gastlichen Gaben des mächtigen Heiligen.
    In Wischwamitras Sinn aber war der Spott über die Armseligkeif des frommen Klausners verstummt. Er kostete von dieser und jener Speise, und ihr Wohlgeschmack weckte in seinem begehrlichen Herzen den Wunsch, die Wunderkuh zu besitzen.
    »Ehrwürdiger Priester!« sprach er zu Wasischta, »sei bedankt für die Ehre;, die du mir durch deine überreiche Gastfreundschaft erwiesen hast! – Nimm tausend von meinen besten Milchkühen und überlasse mir die scheckige Nandini! Sie ist ein Schatz, und von jedem Schatz im Lande gebührt dem König sein Teil!«
    »O starker Feindebezwinger!« erwiderte der Heilige, »wie könnt' ich meines Daseins Stütze hinweggehen! – Nicht um alle Schätze Indiens wollt' ich die Gute missen. Und Nandini wäre wohl traurig, wenn ich sie von mir ließe, da die Scheckige mir so treu und redlich gedient hat!«
    »Tausend Elefanten mit goldenem Leibgurt, Halskette und Treibstachel!« bot der König aufs Neue. Doch der Einsiedler schüttelte das Haupt: »Sie ist mir nicht feil, die mein Leben erhielt und meinem Herde die Opfer spendete!«
    Da ward Wischwamitra zornig: er hieß sein Heer sich zum Aufbruch rüsten und ließ die herrliche Nandini mit Gewalt hinwegführen.
    Traurig und nachdenklich ging die Wunschkuh unter dem Kriegsvolk; als sie aber den Platz für das nächtliche Lager erreicht hatte, riss sie sich los und rannte spornstreichs nach ihrem alten Stall an der Klause.
    Wasischta empfing die Treue mit Tränen der Freude und Sorge. Wie sollte er, der schwache Greis, dem gewaltigen König und seiner Kriegsmacht widerstehen?
    Doch während er sein sorgenschweres Haupt kosend an den Hals des edlen Tieres schmiegte, sagte die Göttliche zu ihm: »Härme dich nicht, du frommer Priester des Allmächtigen! Was ist Schwertesmacht gegen die Macht des göttlichen Geistes! Lass ihn kommen, den Kriegerkönig! Ich, die Mutter des Volkes, stehe zu dir, und die von mir gewappneten Fäuste meiner Söhne werden den fressenden Schwertschwingern die Wege weisen!«
    In solcherlei Reden und Gedanken verging den beiden die Nacht, und als am Morgen die Heerhörner des Königs Rückkehr verkündigten, schritten sie ihm mutig entgegen.
    Und vor den bewaffneten Scharen Wischwamitras wuchsen unter Nandinis Gebrüll und Gestampfe Heere von Kämpfern aus dem Boden. Und diese Kriegsvölker umgaben den frommen Heiligen und schützten ihn gegen den Angriff der königlichen Streiter.
    Bis zum Abend währte die Schlacht. Wieder und wieder hatte Wischwamitra an der Spitze der Seinen angegriffen. Die fremden Recken, in goldfarbiger Rüstung, mit glänzenden Speeren und Schwertern in der Faust, standen wie Mauern.
    Als die Sonne hinter dem Berge des Unterganges verschwand, waren der König und sein ältester Sohn die einzigen Angreifer, denn ringsum bedeckten Tote aus ihrem Heere das Schlachtfeld.
    Da gab Wischwamitra dem Sohne sein Schwert und sprach: »Geh' und herrsche du über mein Reich, auf dass es nicht ohne König sei, denn ich will Buße tun und von den Himmlischen Macht über die Priesterkaste erflehen. Die Macht eines Kriegers, und wär' er ein König über hundert Reiche, ist mir heute verächtlich geworden!«
    Und wie die Natter, der die Giftzähne
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher