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Wuensch dir was

Wuensch dir was

Titel: Wuensch dir was
Autoren: Adena Halpern Ursula C Sturm
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Großteil ist von Howard. Er hat immer wieder gern in seinen alten Gesetzestexten geschmökert, und als ich in diese Wohnung gezogen bin, habe ich sie mitgenommen. Nicht nur, weil sie mit ihren Ledereinbänden und der goldenen geprägten Schrift so edel aussehen, sondern vor allem, weil ich es tröstlich finde, sie um mich zu haben. Das gibt mir das Gefühl, Howard näher zu sein, wenn ich ihn gelegentlich vermisse. Ich fand es schön, dass er sich, auch als er längst im Ruhestand war, noch hin und wieder Fachliteratur bestellt hat. Das bewies in meinen Augen, dass er nicht nur Anwalt geworden war, weil man damit viel Geld verdienen konnte, sondern weil ihm die Ausübung seines Berufs Freude bereitet hat. Selbst als es gar nicht mehr nötig war, fand er die Materie so interessant,
dass er auf dem Laufenden bleiben wollte. Er hat in diesen Büchern Gesetze und Urteile zu Fällen nachgelesen, mit denen er sich jahrelang beschäftigt hatte. Nicht selten hatte er sich mit seinen Klienten angefreundet. Die Bände erinnern mich an die Geschichten, die er mir erzählt hat, Geschichten von seiner Arbeit, die den Großteil seines Lebens ausmachte. Diese Bücher waren sozusagen seine Fotoalben, sie enthalten seine Erinnerungen. Genau wie mein begehbarer Kleiderschrank, der voll ist mit meinen Kleidern, von denen jedes mit einer schönen Erinnerung verbunden ist. Howard hatte seine Fachbücher. Ich habe meinen Kleiderschrank. Im Grunde sind wir uns diesbezüglich wohl ähnlicher als ich angenommen hatte.
    Neben den Regalen stehen meine beiden weißen Sofas, die ich mit Fridas Hilfe ausgesucht habe. Frida hat mir damals zu dunkleren Bezügen geraten, für den Fall, dass Lucy Flecken darauf hinterlässt. Als ich diese Sofas gekauft habe, war Lucy, mal überlegen, fünf oder sechs. Ich habe einfach jedes Mal überprüft, ob sie saubere Hände hat, sobald sie in die Nähe meiner Sofas kam, und das hat wunderbar geklappt. Frida hielt mich für verrückt, weil ich so viel Geld für Sitzmöbel ausgegeben habe, aber es hat sich gelohnt. Sie sind noch immer in bester Verfassung.
    Dann fällt mein Blick auf meinen wunderschönen schwarzen Stutzflügel. So ein Flügel ist ja im Prinzip bloß ein unglaublich teuerer Beistelltisch. Ich kann mich gar nicht erinnern, wann er das letzte Mal gestimmt
wurde oder wann zuletzt jemand darauf gespielt hat, aber das ist mir egal. Barbara hat mir davon abgeraten, ihn in diese Wohnung mitzunehmen, aber ich habe nicht auf sie gehört. Ich liebe dieses Instrument, den glänzenden schwarzen Lack, die weißen Tasten. Ich erhebe mich mit meiner Tasse und stelle mich neben den Flügel, um die zahlreichen Fotos in den silbernen Rahmen zu betrachten, die sich dort im Laufe der Jahre angesammelt haben. Die glücklichen Gesichter sämtlicher Familienmitglieder und Freunde illustrieren zwar nie die ganze Geschichte, sondern nur die schönen Seiten, aber genau das will ich jetzt sehen. Barbara im zarten Alter von zehn Jahren, wie sie die Kerzen auf ihrem Geburtstagskuchen ausbläst; Danny, einundzwanzigjährig, bei der Schulabschlussfeier; Howard und ich an unserem zehnten Hochzeitstag … Und dann bleibt mein Blick an einem Bild hängen, das mich so erschüttert, dass mir meine schöne Porzellantasse entgleitet und samt der Untertasse auf dem Fußboden zerschellt. Ich sehe dieses Foto heute zum ersten Mal. Es steckt wie alle anderen in einem silbernen Rahmen und steht zwischen der Aufnahme von Barbara und Larry an ihrem Hochzeitstag und dem Foto von Lucys Schulball.
    Es ist das Bild von Lucy und mir neulich, als ich neunundzwanzig war. Das Bild, das sie mit ihrer Handykamera geschossen hat, ehe wir zu unserer Verabredung mit den Jungs aufgebrochen sind. Ich bin zu Tode erschrocken. Vielleicht, weil dieses Foto beweist, dass
es wirklich geschehen ist. Man sagt ja immer, Bilder lügen nicht, stimmt’s? An diesem einen Tag war ich eine fünfundsiebzig Jahre alte Frau im Körper einer Neunundzwanzigjährigen. Ich habe einen Tag lang ihr Leben geführt, das beweisen diese zwei jungen, strahlenden Gesichter. Mit gemischten Gefühlen stiere ich es an, unfähig, einen Finger zu rühren. Ich habe noch nie zwei Menschen so fröhlich lachen sehen. Es ist ein tolles Foto. Ich kann mich gar nicht daran sattsehen, obwohl ich in einer Pfütze aus Tee stehe, die meinen Hartholzboden ruinieren wird.
    Es dauert garantiert zehn Minuten, bis ich das Bild schließlich an seinen Platz zurückstelle und in die Küche gehe, um den
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