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Wuensch dir was

Wuensch dir was

Titel: Wuensch dir was
Autoren: Adena Halpern Ursula C Sturm
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Mülleimer und einen Lappen zu holen. Ich kehre zurück ins Wohnzimmer, wische den Tee auf und werfe die Scherben in den Eimer.
    Und dann stelle ich mich vor meinen Spiegel aus Paris, wie ich es neulich unzählige Male getan habe. Ich betrachte mich. Das Gesicht im Spiegel ist das Gesicht, an das ich mich im Laufe der Zeit gewöhnt habe. Ich ziehe mit den Fingern die faltige Haut an meinem Hals glatt, lasse die Fingerspitzen über meine Krähenfüße, meine Lachfalten wandern. Der Anblick dieses zerfurchten Gesichts wird mir nie Freude bereiten, so viel steht fest. Aber ein Gedanke tröstet mich: Mein Gesicht ist der Beweis dafür, dass ich bereits ein langes, erfülltes Leben hinter mir habe. Jede Falte zeugt von einem Lächeln, auch von Tränen und Kummer, aber vor allem von Freude.

    Höchste Zeit, wieder an die Zukunft zu denken.
    Ich gehe zum Telefon und wähle Lucys Nummer.
    »Lucy, ich bin’s. Ich bin noch immer wütend auf dich, aber das wird sich geben. Wie war noch gleich Zacharys Telefonnummer?«

Zachary
    K eine Ahnung, warum ich eingewilligt habe, mich mit ihm zu treffen. Wozu um Himmels willen frisiere ich mir die Haare und lege Make-up auf und ziehe mich schon zum dritten Mal um? Was erwarte ich mir davon? Dass er in mir die Frau erkennt, in die er sich verliebt hat?
    Ich wusste, Zachary würde wach sein, als ich ihn gestern Abend anrief. Ich wusste, dass in seiner Stimme dieselbe Traurigkeit mitschwingen würde wie bei mir, als er den Hörer abnahm. Schon als es klingelte, hatte ich das Gefühl, ihm näher zu sein. Ich lauschte dem Tuten. Zweimal, dreimal.
    »Ja?«, tönte es verschlafen aus der Leitung. Doch ich wusste, er hatte nicht geschlafen.
    Ich zögerte einen Moment. Nicht etwa, weil ich auflegen wollte, sondern weil ich es schön fand, seine Stimme zu hören.
    »Hallo?«, sagte er.
    »Zachary?« Ich räusperte mich.
    »Ja?« Jetzt klang er wie immer.

    »Hier ist Mrs. Jerome, Ellies Großmutter.«
    »Ach, hallo.« In seinem Tonfall lag ein Fragezeichen. Kein Wunder. »Wie geht es Ihnen, Mrs. Jerome?«, erkundigte er sich. Es klang melancholisch.
    »Ich war in letzter Zeit etwas neben mir. Aber wie ich von Lucy höre, geht es dir genauso.«
    Er atmete tief durch und seufzte hörbar.
    »Ich verstehe es einfach nicht, Mrs. Jerome, und aus Lucy bekomme ich nicht das Geringste heraus. Ich weiß ja nicht, was sie Ihnen erzählt hat. Jedenfalls bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mich anrufen, obwohl es schon so spät ist. Ich möchte einfach wissen, was mit Ihrer zweiten Enkelin passiert ist.«
    Ich hörte den Schmerz in seiner Stimme. Lucy hatte Recht, er litt genauso sehr wie ich. Mit dem Unterschied, dass er jemanden hatte, der ihm helfen konnte. Er brauchte ein paar großmütterliche Ratschläge.
    »Hast du morgen früh schon etwas vor, Zachary?«
    Er zögerte.
    »Nein, nichts.«
    »Gut, dann lass uns zusammen frühstücken. Kennst du das kleine Café am Rittenhouse Square, gegenüber von meinem Wohnblock?«
    »Ja, da bin ich öfter.«
    »Bestens. Ich bin um acht Uhr dort, ist dir das recht?«
    »Acht Uhr passt mir gut. Vielen Dank, dass Sie sich für mich Zeit nehmen.«

    »Das ist das mindeste, was ich für dich tun kann. Es tut mir leid, dass dir diese Angelegenheit solchen Kummer bereitet.«
    »Danke, Mrs. Jerome. Ich weiß es zu schätzen.«
    »Bitte, nenn mich Ellie.«
    Ich bin seit sechs auf. Ehrlich gesagt, habe ich die ganze Nacht über kaum ein Auge zugetan und im Stundentakt auf die Uhr gesehen. Was vermutlich eher auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass ich in der vergangenen Woche so viel geschlafen habe, als auf meine Nervosität.
    Um sechs Uhr morgens habe ich dann die Kleider, die ich mir von Zachary geborgt habe, aus der hintersten Ecke des Schrankes hervorgekramt und in die Waschmaschine gesteckt (die Turnschuhe natürlich nicht). Jetzt falte ich die Hose und das T-Shirt zusammen und stecke sie mit den Schuhen in eine Tüte, obwohl ich sie am liebsten behalten würde. Aber es ist besser, wenn ich ihm alles zurückgebe.
    Ich beschließe, eine beige Hose und ein fliederfarbenes Top anzuziehen, und dazu meine Lieblingsohrringe, ein Paar Diamantstecker, die ich vor Jahren von Howard bekommen habe. Ehe ich um fünf vor acht aufbreche, werfe ich einen Blick in den Spiegel aus Paris und bin mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden.
    Zachary sitzt bereits vor einer Tasse Kaffee, als ich das Café betrete. Er sieht genauso furchtbar aus, wie ich mich gefühlt habe. Wer weiß, wann der
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