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Wuensch dir was

Wuensch dir was

Titel: Wuensch dir was
Autoren: Adena Halpern Ursula C Sturm
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trieft vor Sarkasmus.
    »Du weißt doch gar nicht, wovon du redest. Du hast keine Ahnung, wie es ist, so lange zu leben, wie ich es getan habe. Wir reden weiter, wenn du fünfundsiebzig bist, und bis dahin hast du zu dem Thema nicht das Geringste beizusteuern, Lucy.«
    »So, du hältst dich also für Methusalem, ja? Glaubst du wirklich, dein Leben ist schon vorbei? Glaubst du, du könntest nichts mehr ändern?«
    »Ja, genau das glaube ich.«
    »Du weißt genauso gut wie ich, dass du so fit bist wie andere mit fünfundfünfzig. Aber lass dir eines gesagt sein, mit dieser Einstellung wirst du die nächsten zwanzig Jahre deines Lebens vergeuden, und was dann?«
    »Und das war’s dann«, knurre ich.
    Sie schnaubt und erhebt sich.
    »Okay, wie du willst.« Sie geht zur Tür. »Nur zu, verschwende den Rest deines Lebens, wenn du unbedingt willst. Mir doch egal.«
    »Vielen Dank. Genau das hab ich vor.« Ich drücke den Kopf in mein Kissen.
    »Zach hat gefragt, ob er dich anrufen darf, um mit dir über deine Enkelin aus Chicago zu reden. Und er wollte dir etwas sagen, keine Ahnung, was. Das mindeste,
was du tun kannst, ist, mit ihm über das zu sprechen, was passiert ist. Ich habe ihm deine Telefonnummer gegeben.«
    »Das hast du doch hoffentlich nicht wirklich getan.«
    Sie hält inne und stemmt theatralisch die Fäuste in die Hüften. »Tu mir einen Gefallen und hör endlich auf, nur an dich selbst zu denken, Gram.«
    Ich höre, wie die Wohnungstür hinter ihr ins Schloss fällt. Jetzt bin ich hellwach, und ich bin so wütend auf Lucy, dass ich schreien könnte.
    Es ist beinahe elf Uhr nachts, aber in meinem Kopf wirbeln so viele Gefühle herum – Zorn, Angst, Traurigkeit. Zum Teufel mit Lucy!
    Ich schlüpfe in meine Pantoffeln und schlurfe aus dem Schlafzimmer. Wann bin ich zuletzt durch meine Wohnung gegangen? Ich weiß es nicht mehr. Es fühlt sich beinahe an, als hätten die anderen Räume gar nicht existiert.
    Ich gehe in die Küche, um mir eine Tasse Tee zu machen. Ich setze Wasser auf und hole die Teebeutel.
    Dann öffne ich den Geschirrschrank und nehme eine Tasse und eine Untertasse heraus. Ich verwende jeden Tag mein gutes Porzellan. Das sollten Sie auch tun, vorausgesetzt, Sie haben keine kleinen Kinder. Ich habe gelernt, dass man die Dinge, die man hat, genießen muss. Mein gutes Geschirr habe ich jahrelang nicht benutzt; es stand seit meinem letzten Thanksgiving-Dinner kurz vor Howards Tod meist in einer Kiste herum. Nach diesem Essen hatte ich derart die
Nase voll von dem ganzen Aufwand zu Thanksgiving, der Kocherei und dem vielen schmutzigen Geschirr hinterher, dass ich beschloss, das Staffelholz an Barbara weiterzureichen. Barbara macht weder den Truthahn selbst noch die Füllung noch sonst irgendetwas. Sie lässt alles von einem Partyservice liefern. Ich finde das nicht richtig. Ist es wirklich so schwer, einen Truthahn in den Ofen zu schieben?
    Ach, vergessen Sie’s. Ich will nicht weiter auf ihr herumhacken.
    Jedenfalls fiel mir eines Tages auf, dass mein wunderschönes gutes Geschirr seitdem kaum je zum Einsatz kam.
    Seither benutze ich es ständig und erfreue mich bei jeder Tasse Tee daran, selbst in meinem derzeitigen Zustand.
    Ich gehe mit meinem Tee ins Wohnzimmer und setze mich an den Tisch.
    Es ist mucksmäuschenstill in der Wohnung, als ich die Tasse an die Lippen führe. Das Geräusch beim Abstellen erscheint mir unnatürlich laut.
    Wo ich auch hinsehe, erblicke ich Erinnerungen an mein Leben. Es sind nicht mehr dieselben Wände, aber das, was sich in der Wohnung befindet, habe ich im Laufe meines Lebens angesammelt. Dazu gehört auch der Tisch, an dem ich sitze; der Tisch meiner Mutter, den sie jeden Tag geölt und gepflegt hat. Wie hat sie diesen Tisch geliebt. Er war ihr ganzer Stolz. Fünf Generationen meiner Familie haben schon an
diesem Tisch gegessen. Was für ein erhebender Gedanke. Wie viele Festmahle wurden wohl bereits an diesem Tisch eingenommen? Wie oft hat er mich schon mit meiner Großmutter und meiner Mutter zusammengeführt; mit meiner Mutter und Barbara; mit Lucy und Barbara? Mir wird klar, dass dieser Tisch nach mir an die nächste Generation meiner Familie übergehen wird. Irgendwann wird er Barbara gehören, und dann Lucy, und sollte Lucy je das Glück haben, eine Tochter zu bekommen, dann wird auch diese einmal an diesem Tisch sitzen.
    Pfff. Glück.
    Während ich den Tee trinke, gleitet mein Blick über die Regale an der Wand. Viele der Bücher gehören mir, aber der
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