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Das leere Grab im Moor

Das leere Grab im Moor

Titel: Das leere Grab im Moor
Autoren: Stefan Wolf
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1. Der Schatz des Scheichs
     
    Schauriges Stöhnen weckte
Tarzan.
    Schlaftrunken blinzelte er in
die Dunkelheit. Dann setzte er sich auf.
    Durchs Fenster schien der
Vollmond herein. Dick und gelb hing er am samtigen Nachthimmel. Sein Licht
ergoß sich über das Schulgelände und drang in viele Winkel, reichte aber nicht
bis zu Klößchens Bett.
    Von dort kam das Stöhnen.
    „Grrrrrr... Uuuuuuuhhhh...
Uaaaaahhhh...“
    Tarzan, jetzt vollends wach,
knipste die Nachttischlampe an. Dabei fiel sein Blick auf die Uhr. Es war
Viertel nach zwei; und Klößchen, sein Freund und Budenkamerad, träumte.
Schreckliches schien sich in seiner Traumlandschaft abzuspielen. Offenbar wurde
er gerade gevierteilt.
    „O Mann!“ sagte Tarzan laut.
„Das ist nicht auszuhalten. He, Willi! Träum’ gefälligst leise! Du bist nicht
allein.“
    Ein heftiger Schnarcher
antwortete. Das Stöhnen verstummte. Dann warf sich Willi Sauerlich, genannt
Klößchen, im Bett herum.
    „Was... was... wo sind... die
Kannibalen?“ Klößchens sommersprossiges Mondgesicht fuhr vom Kopfkissen hoch.
    „Einer liegt unter deinem Bett
und fletscht die Zähne“, sagte Tarzan grinsend. „Mann, Willi! Mit 13 Jahren hat
man doch nicht so kindische Träume! Von Kannibalen! Sogar im Traum dreht sich
bei dir alles ums Futtern. Du standst wohl schon auf der Speisekarte, wie?“
    Klößchen stieß prustend die
Luft aus und wischte sich über die verschwitzte Stirn.
    „Junge, da bin ich aber knapp
entkommen“, meinte er. „Hätte ich weiter geträumt, wäre ich wohl erwischt
worden. Der Kessel war schon angeheizt. So ein dicker
    Häuptling wollte mich als
Bouillon mit Einlage.“
    „Da wäre der ganze Stamm satt
geworden“, lachte Tarzan. „Du hast vielleicht gestöhnt! Daß du überhaupt solche
Alpträume kriegst, daran ist bloß dein verkorkster Magen schuld. Du hast
Bauchweh, und das verdankst du deinem Sieg gestern abend. Merkst du jetzt, was
für ein Mist das war?“
    „Detlef hat mich
herausgefordert“, verteidigte sich Klößchen. „Das ging gegen meine Ehre. Da
konnte ich nicht kneifen.“
    „Ehre? Daß ich nicht lache!
Zwei Vielfraße haben ein Wettessen veranstaltet. Was hat denn das mit Ehre zu
tun, wieviel Schokolade man verdrücken kann? Dein Sieg ist kein Ruhmesblatt.
Sieben Tafeln Schokolade! Da graust einem doch.“
    „Detlef hat fünf geschafft“,
sagte Klößchen.
    „Weil er spinnt. Falls du jetzt
weiterträumst, stöhn’ bitte nicht so! Und bestell’ deinem Häuptling, daß du zur
Bouillon nicht geeignet bist. Aus dir läßt sich höchstens Schokoladencreme
machen.“
    „Ph!“ machte Klößchen. „Nur
kein Neid. Wer hat, der hat. Mach’s Licht aus! Ich will schlafen und zu meinen Kannibalen
zurück. Die sind erfreulicher als du. Jeder Mensch — so hat Dr. Meinert neulich
gesagt — müsse mal an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit herangeführt werden.
Und ich — zum Teufel, zum Kuckuck! Verdammt noch mal! — wollte wissen, wieviel
Schokolade ich essen kann. Gute Nacht!“
    „Gute Nacht!“ Tarzan grinste,
knipste das Licht aus, rollte sich im Bett herum — mit dem Gesicht zum Fenster
— und schob beide Hände unter den Kopf.
    Augenblicke später verkündeten
tiefe Atemzüge, daß Klößchen schon wieder schlief.
    Tarzan sah in die Mondnacht
hinaus. Das Fenster war angelehnt, und man roch förmlich die laue Luft. Es war
Juni. Der Park der großen Internatsschule verströmte Blütenduft, und die
Grillen zirpten.
    Irgendwas hielt Tarzan noch
wach.
    Tarzan war natürlich sein
Spitzname. Er hieß Peter Carsten, wurde aber nur von wenigen Lehrern so
angeredet. Den Spitznamen hatte er weg, weil er mit affenartiger
Geschwindigkeit am Kletterseil hochturnen konnte. Außerdem vielleicht noch
wegen seiner dunklen Locken und weil er immer gebräunt war. Für einen
13jährigen war er groß. Er hatte blaue Augen, kräftige Muskeln und galt als der
beste Sportler seines Jahrgangs. Seine bevorzugten Disziplinen waren Judo,
Volleyball und Sprint.
    Klößchen verkörperte das
Gegenteil: Dick, unsportlich, mit rotblonden Haaren und anmutigen Segelohren.
Er war der einzige Sohn eines millionenschweren Schokoladenfabrikanten und
bewohnte zusammen mit Tarzan das ADLERNEST, wie die Bude im zweiten Stock des
Hauptgebäudes der Internatsschule hieß. Alle Buden hatten Namen, und nebenan in
der RÄUBERHÖHLE wimmerten in diesem Augenblick die Sprungfedern unter einer
Matratze, als übe sich ein Elefant im Trampolinspringen.
    Detlef! dachte
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