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Das leere Grab im Moor

Das leere Grab im Moor

Titel: Das leere Grab im Moor
Autoren: Stefan Wolf
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auf.
    Tarzan, der die Leine noch in
der Hand hielt, blickte hinter sich.
    Das Halsband war leer, Oskar
herausgeschlüpft.
    „Um Himmels willen, wenn der
wildert!“ Gaby kriegte vor Entsetzen große Augen.
    Im selben Moment sah Tarzan den
Cocker. Schlau und mucksmäuschenstill hatte er sich davongeschlichen. Jetzt war
er gut 200 Meter entfernt und rannte, die Nase tief am Boden, auf eine ferne
Baumgruppe zu.
    „Bleibt hier!“ sagte Tarzan
hastig. „Ihr kennt euch nicht aus. Den Strolch habe ich gleich.“
    Wie von der Sehne geschnellt,
sauste er den Hügel hinab. Während er sich die Leine um die Hand wickelte,
sprang er über den holprigen Boden, der voller Hindernisse war. Schon im
Schneckentempo war es nicht einfach, hier voranzukommen. Aber Tarzans Hindernislauf
schlug alle Rekorde. Er sprang über Tümpel, wich im Zickzack Torf,
Aufschüttungen, Gräben, Felsbrocken und tiefen Sumpflöchern aus, hechtete über
Gestrüpp und riß sich aus dornigen Fußangeln los. Dornen rissen Löcher in seine
Jeans. Einmal wäre beinahe sein linker Turnschuh im Sumpf steckengeblieben. Es
ging gerade noch gut.
    „Oskar! Hierher!“
    Aber Oskar dachte nicht daran.
Er hatte eine Fährte. Sein Jagdinstinkt brach durch.
    Hoch über Tarzan schnatterte
ein Hubschrauber.
    Wahrscheinlich beobachteten Polizisten
die Jagd.
    Oskar verschwand in der
Baumgruppe. Die höchsten Erlen und Birken standen dort — geradezu Riesen.
    Tarzan setzte zum Spurt an.
Jetzt hatte er Schweiß auf der Stirn. Offenbar lockte das die Mücken an. Sie
umtanzten ihn. Aufdringlich wie bettelnde Sektenanhänger ließen sie sich nicht
verscheuchen.
    Oskar bellte. Heiser zwar, aber
nicht so aufgeregt, als würde er ein Wild stellen. Was hatte er? Das Bellen
entfernte sich nicht, blieb am selben Fleck.

    Keuchend erreichte Tarzan die
Baumgruppe.
    Unter dem dichten Blätterdach
kühlte der Schatten. Es duftete nicht nach Torf oder Moor, sondern nach Blüten.
    An drei, vier Bäumen lief
Tarzan vorbei. Dann sah er Oskar.
    An einer Birke, die so dick war
wie der Oberschenkel eines Schwerathleten, hatte der Cocker sich aufgerichtet.
    Die Vorderpfoten stemmte er
gegen den Stamm. Die Nase war steil aufgerichtet. Er äugte und schnupperte am
Baum empor und wedelte so heftig, als hinge dort ein Festtagsbraten.
    „Oskar, du Strolch! Hast du ein
Eichkätzchen gejagt?“
    Rasch legte Tarzan ihm das
Halsband an, diesmal um ein Loch enger geschnallt, damit er nicht wieder
herausschlüpfen konnte.
    Dann erst blickte Tarzan in das
Blätterkleid der Birke.
    Eisiger Schreck durchfuhr ihn.
    Etwa drei Meter über ihm hing
etwas am Stamm.
    Tarzans erster Gedanke war: Das
ist der Pilot. Die Leiche des Piloten.
    Aber dann hatten sich seine
Augen an das Spiel des Sonnenlichts zwischen den Blättern und Zweigen gewöhnt.
Er erkannte, was es war: Ein Reh.
    Tarzan blinzelte, strich sich
über die Augen, sah abermals hinauf.
    Kein Irrtum. Dort hing ein Reh.
Es war tot, der Blick der Bambi-Augen gebrochen. Mit dem Kopf hing es nach
unten. Bizarr ragten die Vorderläufe in die Zweige.
    Tarzan bewegte sich etwas zur
Seite. Jetzt konnte er mehr erkennen.
    Mit einem festen Strick waren
die Hinterläufe zusammengebunden. Der Strick schlang sich mehrfach um den
Stamm. Und auf der einen Seite des Tieres, links, war das Fell blutig.
    Für einen Moment fühlte Tarzan
sich wie vor den Kopf geschlagen.
    Oskar bellte, hechelte und wäre
am liebsten den Stamm hochgeklettert.
    „Ruhig, Oskar! Das ist nichts
für dich!“
    Tarzan überlegte: Was hatte das
zu bedeuten?
    Es gab nur eine Erklärung:
Wilderei.
    Ein Wilddieb hatte das Reh
geschossen — es war eine Ricke, ein weibliches Tier —, aber keine Möglichkeit
gehabt, die Beute wegzubringen. Also ließ er sie hier. Und um sie vor Füchsen
und wildernden Hunden zu schützen, hatte er sie in den Baum gehängt. Heute
nacht würde der Wilddieb sicherlich herkommen, um die Beute zu holen.
    „Oskar“, sagte Tarzan, „du
kriegst einen Orden. Nein, lieber einen Hundekuchen. Da hast du eine tolle
Entdeckung gemacht.“

3. Der wütende Grünrock
    Für den Rückweg ließ Tarzan
sich Zeit. Mit einer Hand führte er Oskar an der Leine. Die andere brauchte er,
um Mücken abzuwehren.
    Als er sich dem Leeren Grab
näherte, traute er seinen Augen nicht.
    Die drei waren nicht mehr
allein. Ein Jäger oder Jagdaufseher, oder was auch immer er sein mochte, stand
bei ihnen: in grüner Jagdkleidung, mit Hut und Gewehr.
    Aber irgendwas stimmte nicht.
    Tarzans Freunde
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