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Alptraum in Pink

Alptraum in Pink

Titel: Alptraum in Pink
Autoren: John D. MacDonald
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Eins
    Sie arbeitete in einem dieser Wolkenkratzer in der Park Avenue, die von Touristen pflichtschuldig abfotografiert werden. Es ist ein beeindruckendes Gebäude, wenn man zu Besuch ist, aber darin wohnen will bestimmt niemand.
    Sie arbeitete im zwanzigsten Stockwerk für eine dieser wichtigtuerischen kleinen Firmen, die Verpackungen für alles Mögliche entwerfen. Ich war, wie verabredet, um fünf Uhr da, und ließ ihr meinen Namen ausrichten. Sie kam im weißen Kittel in die kleine Empfangshalle, als wolle sie beweisen, dass sie ihre Leistung am Zeichenbrett erbrachte.
    Nina Gibson. Sie war ein aufgedonnertes kleines Mädchen. Ich hatte ein Foto von ihr gesehen, auf dem sie zwölf Jahre alt war. Inzwischen war sie doppelt so alt und hatte sich verändert. Mike hatte ihr Foto immer in der Brieftasche bei sich getragen. Jetzt hatte sie eine Masse schwarzblauer Locken, Mikes leuchtend blaue Augen, ein schmales, abweisendes Gesicht und cremeweiße Haut. Sie hatte die herzerfrischende, betonte Figur einer bestimmten Sorte von zierlichen Mädchen: eine Wespentaille, darüber und darunter reichlich mit festen Rundungen ausgestattet.
    »Sie werden ein Weilchen warten müssen«, sagte sie. »Tut mir Leid.«
    »Und wenn Sie dann das nächste Mal herauskommen, lächeln Sie und sagen hallo.«
    »Sollte ich das? Dieses Treffen ist nicht meine Idee, Mr. McGee.«
    »Es geht nur um höfliche Umgangsformen, Nina.«
    »Davon wird es nicht viele geben«, meinte sie und verschwand wieder in den mystischen Tiefen ihres Berufes. Ich saß inmitten der Schaukästen mit all den bekannten Markennamen. Ein Parfümzerstäuber im Wert von drei Cents, plus den Gegenwert von zwei Cents an homogenisiertem Klebstoff plus Fernsehreklame zur besten Sendezeit macht im Jahr 28 Millionen verkaufte Produkte zu je 69 Cents. Das ist der Herzschlag der amerikanischen Industrie. Ich saß da und beobachtete die Empfangsdame. Sie war es gewohnt, beobachtet zu werden, und hatte es sogar gern. Sie war auch verpackt. Eine Empfangsdame, heiratsfähiges Alter, englischer Akzent, unglaublich tweedy, sehr Country Club. Die kleine Firma wusste, was in war. Sie beschäftigte eine Dame am Empfang, die aussah, als säße sie im Frühlingswind, der vom Moor herüberweht, und hätte gerade ihre Stute in der Vorhalle festgemacht. Nina kam wieder heraus - mit Handschuhen und Handtasche bewaffnet, einen Hut auf dem Kopf, dazu trug sie ein Herbstkostüm, das für ihre Figur etwas zu sehr auf Taille geschnitten war. Sie war in Begleitung eines dünnen, nichts sagend aussehenden Mannes, blieb plötzlich stehen und stritt mit ihm herum. »Freddie, wenn du ihm drei zeigst, wird er sich daran die Zähne ausbeißen, das weißt du doch selbst, mein Lieber. Er hat gerade genug Hirn, um zwischen zwei Dingen auszuwählen, wenn die Wahl offensichtlich auf der Hand liegt. Also mach die Präsentation nur mit den Entwürfen von Tommy und Mary Jane. Das sind bislang die besten und die schlechtesten. Er wird bestimmt die von Tommy aussuchen, dann sind wir im Geschäft.«
    Freddie zuckte mit den Schultern, seufzte und ging wieder hinein. Nina nickte mir gebieterisch zu, und wir verließen die Halle, fuhren in dem musikberieselten Fahrstuhl nach unten und gingen zu Fuß zwei Straßen weiter in die Lounge eines schallgedämpften kleinen Hotels, wo die Punktstrahler auf eine teure Ansammlung von dauergewellten Frisuren und gestutzten Bärten herableuchteten, auf Pelze und maßgeschneiderte Schultern, blitzblanke Gläser, auf liebenswerte Leute, die sich gegenseitig mit verhaltenem Lächeln, leisen Gesprächen und tödlichen Martinis in dieses oder jenes gefährliche Geschäft manövrierten. Wir fanden eine Sitznische an einer ruhigen Wand, sie zog die Handschuhe aus, beugte sich über das angebotene Feuerzeug und bestellte einen trockenen Sherry.
    Sie starrte mich an, belustigt und verschlossen zugleich. »Der fabelhafte Travis McGee. Fabelhaft hat irgendetwas mit Fabeln zu tun. Ich habe aber keinen Bedarf an Fabeln. Herzlichen Dank.«
    »Nach dem alten Foto hätte ich gar nicht gedacht, dass Sie einmal so hübsch werden würden.«
    »Ich bin eben ein ganz reizendes Mädchen.«
    Ich wollte möglichst weit weg von diesem reizenden Mädchen sein, mindestens fünfzehnhundert Meilen. Ich wollte nicht in dieser Oktoberstadt sein. Ich wollte wieder an Bord meiner Busted Flush sein, festgezurrt am Liegeplatz F 18 in Bahia Mar, Lauderdale, auf meinem achtzehn Meter langen, maßgefertigten Hausboot, das
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