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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker
Autoren: Richard Harland
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sie gleich anschließend einen königlichen Erlass verkünden.
    »Gillabeth, was weißt du eigentlich über die Dreckigen? Du weißt doch so viel mehr als Professor Twillip und ich. Sind sie so wie Gesindlinge?«
    Sie schüttelte den Kopf. »An die denken wir einfach nicht.«
    »Und können sie sprechen?«
    »Vielleicht.«
    »Sind sie langsam und schwerfällig wie Gesindlinge?«
    Gillabeth wandte den Blick ab. »Warum willst du das wissen?«
    Er hatte das Gefühl, dass sie einiges mehr über die Dreckigen wusste als er. Aber es war unmöglich, weiter in sie zu dringen, ohne sich zu verraten.
    »Ach, ist auch egal.« Er versuchte, gleichgültig zu klingen.
    Col wartete, bis sie aus dem Zimmer war. Dann warf er das Bettzeug von sich und stürzte zum Schrank. Gillabeth hatte die Dreckige nicht etwa übersehen – da war einfach niemand mehr.
    Dann sah er, dass etwas von innen im Schloss steckte. Sein Abzeichen der Jungen Patrioten! Unglaublich! Die Dreckige musste es am Revers seines Jacketts gefunden und mit der Nadel das Schloss geknackt haben. Er staunte, wie gerissen so eine Dreckige sein konnte.
    Das Problem war also gelöst, sie war aus eigener Kraft entkommen. Was als nächstes mit ihr geschehen würde, ging ihn nichts mehr an.
    Er wusch sich am Waschbecken, zog sich an und kämmte seine Haare. Als er sein Gesicht im Spiegel sah, musste er grinsen. Was war das wohl für eine Ankündigung, die Großvater machen wollte?

04
    Das Frühstück wurde im Northumberland-Salon eingenommen, drei Gänge entfernt von Cols Kabine, auf Deck 42. Dieser Raum war zur alleinigen Verwendung für die Familie Porpentine bestimmt. Als Col eintraf, hatten sich die Mitglieder der fünf Zweige der Familie schon an den Tischen niedergelassen. Alles sah völlig normal aus: frische Servietten, silbernes Tafelgeschirr, matt schimmernde Tassen und Teller … die weiße Tischdecke war mit den üblichen rosa Blümchenmotiven verziert, und selbst die Tischbeine waren dezent in weiße Rüschen gehüllt.
    Col setzte sich neben seine Eltern Quinnea und Orris. Ihm gegenüber saßen Gillabeth und sein kleiner Bruder Antrobus. An der Kopfseite hatten seine Großeltern Sir Mormus und Lady Ebnolia Porpentine Platz genommen – die Säulen, auf denen seine Welt ruhte.
    Unter der Aufsicht zweier Stewards rollten sechs Gesindlinge einen Servierwagen von Tisch zu Tisch, um die Anwesenden mit Tee, Bücklingen und Toast zu versorgen. Die Stewards standen zwar im Rang weit unter den Porpentines, die der Elite angehörten, zählten aber noch zur Bürgerschaft der oberen Decks. Gesindlinge hingegen wurden überhaupt nicht zu den Menschen gerechnet. Man sah über sie hinweg oder durch sie hindurch – an sah man sie eigentlich nie.
    Col betrachtete die Gesindlinge aus dem Augenwinkel. Ihre grauen Uniformen erinnerten an Schlafanzüge – genau genommen war alles an ihnen grau. Verglichen mit der Dreckigen wirkten sie alt und schwerfällig.
    »Lasst uns beten.« Sir Mormus klopfte auf den Tisch, und augenblicklich war es still. »Im Namen Ihrer Majestät, Königin Victoria II., lasset uns danken für die guten Dinge, die uns beschert worden sind. Amen.«
    Anscheinend beabsichtigte er, seine Ankündigung erst am Ende des Frühstücks zu machen. Der Raum war erfüllt vom leisen Geklapper des Geschirrs und dem dezenten Raunen gepflegter Konversation, aber Cols ganze Aufmerksamkeit galt seinem Großvater. Sir Mormus’ wuchtige Schultern und sein großer Kopf vermittelten den Eindruck herrlicher Standhaftigkeit. Schon seine bloße Gegenwart verströmte Autorität, ebenso wie seine tressenbewehrte Jacke, der hohe, steife Kragen sowie die an einer Goldkette um seinen Hals hängenden Amtsschlüssel.
    Col konnte sich nicht vorstellen, was für ein Gefühl es sein musste, so mächtig und selbstsicher zu sein. Jede seine Anordnungen erließ Sir Mormus im absoluten Befehlston, der keinerlei Widerspruch zuließ. Zwar war Col nicht ganz klar, was genau ein Oberbefehlshaber tat, aber er wusste, dass nach der Königin und ihrem Prinzgemahl sein Großvater der wichtigste Mensch auf dem Worldshaker war. Er war froh, ein Porpentine zu sein und auf diese Weise am Abglanz des Ruhmes Anteil zu haben.
    »Nun iss doch, Colbert«, sagte Quinnea. »Aber nicht zu schnell.«
    Col konzentrierte sich auf den geräucherten Fisch und die Toastscheibe auf seinem Teller. Bücklinge zum Frühstück waren ein Brauch aus der Alten Heimat. Die Bücklinge, die sie zu essen bekamen, kamen allerdings
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