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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker
Autoren: Richard Harland
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Dinge waren!
    Aber diese Dreckige passte nicht zu seinen Albträumen. Er hatte sich Dreckige immer als eine wilde, unzivilisierte Version von Gesindlingen vorgestellt. Sie war jedoch das genaue Gegenteil: athletisch und flink, wie ein flackerndes Feuer …
    Er wusste, dass er sich überlegen musste, was mit ihr geschehen sollte. Aber es schien, als hätte er den richtigen Moment verstreichen lassen. Tausend Gedanken schwirrten ihm durch den Kopf, aber sein Verstand weigerte sich, eine Lösung zu finden. Es war einfach alles zu kompliziert.
    Um ruhiger zu werden, konzentrierte er sich auf Worte, die bei ihm immer die guten, richtigen Gefühle auf den Plan riefen: Pflicht, das Empire, Königin Victoria . Es schien Stunden zu dauern, bis die guten Wörter nach zähem Kampf die schrecklichen Wörter vertrieben hatten. Ein Gefühl der Schläfrigkeit schwappte in immer neuen Wellen über ihn hinweg. Als er endlich einschlief, dachte er gerade an seinen absoluten Lieblingsausdruck: Ihre Majestät .
    Aber seine Träume orientierten sich nicht an den hehren, schönen Gefühlen. In einem dieser Träume wuchs seinem Schrank ein dicker Pelz, dann begann der Schrank sinister und verlockend mit der Tür zu klappern. In einem anderen Traum lag jemand neben ihm im Bett und trug eines seiner Hemden. Dann gab es Träume mit klugen Eulen, die missbilligend die Stirn runzelten, edlen Löwen, die ratlos den Kopf schüttelten, und tapferen Bären, die sich von ihm abwandten … und so weiter, die ganze Nacht lang.
    Als ihn schließlich ein Klopfen an seiner Türe weckte, schien es ihm, als hätte er kaum geschlafen.

03
    Er schlug die Augen auf. Die Deckenbeleuchtung war bereits angegangen, allerdings war ihr weißer Glanz nur ein kümmerlicher Ersatz für echtes Tageslicht. Ein zweites, lauteres Klopfen, dann sprang die Kabinentür auf, und Gillabeth, seine Schwester, kam hereinmarschiert.
    »Warum bist du noch im Bett?«, fragte sie. »Hast du denn die Morgenglocke nicht gehört? Und warum ist deine Nachttischlampe noch an? Du sollst sie doch nicht anlassen, wenn du schläfst.«
    Sie war nur zwei Jahre älter als Col, tat aber immer so, als seien es zehn. Ihr schwarzes Haar war schlicht und korrekt geschnitten, und sie trug ein vernünftiges braunes Kleid mit Latz und Manschetten. Der einzige Schmuck war der auf den Latz gestickte Name Gillabeth . Alles an Gillabeth war korrekt und vernünftig.
    Die typischen Züge der Familie schienen die beiden unter sich aufgeteilt zu haben: Col war hoch aufgeschossen wie sein Großvater, hatte dieselbe breite Stirn, dieselben schwarzen Brauen und grauen Augen, Gillabeth hatte das kantige Kinn der Porpentines. Und so stand sie jetzt vor ihm – das Kinn hervorgereckt und die Hände auf den Hüften.
    »Heute ist ein besonderer Tag«, sagte sie. »Großvater hat etwas bekannt zu geben beim Frühstück. Du solltest deinen besten Matrosenanzug tragen.«
    Col wollte gerade aufstehen, als er den Schlüssel in seiner Hand spürte. Die Ereignisse der letzten Nacht schossen ihm wieder in den Sinn: die Dreckige in seinem Schrank! Er betete, dass sie sich ruhig verhalten würde.
    »Ahnst du nicht, worum es geht?«, fragte Gillabeth. »Es betrifft dich.«
    »Was betrifft mich?«
    »Großvaters Ankündigung.«
    »Aha. Und warum mich?«
    »Du bist so naiv, Colbert Porpentine, du und dein Professor Twillip. Du hast überhaupt keine Ahnung, was in der Welt vor sich geht.«
    Col maß dem scharfen Tonfall keine weitere Bedeutung zu. So sprach Gillabeth eigentlich immer mit ihm.
    »Ich werde deinen Matrosenanzug für dich bereitlegen«, sagte sie und ging zum Schrank.
    »Nein!«
    »Warum nicht?« Gillabeths selbstgefälliger Blick strotzte von eitler Tugendhaftigkeit. »Schließlich bin ich deine Schwester: Ich bin dazu da, dir zu helfen.«
    Nur gut, dass der Schrank abgeschlossen war und er den Schlüssel hatte. Col schob seine Hand tiefer unter die Decke.
    Aber als Gillabeth am Schrankgriff zog, schwang die Tür weit auf.
    Eine Dreckige in seinem Schrank – das war das Ende!
    »Na, wo ist er denn?« Sie griff in den Schrank und kramte herum. »Warum kannst du keine Ordnung halten?« Schließlich zog sie einen Bügel mit Cols bestem Matrosenanzug hervor. »Da hätten wir ihn ja.«
    Col verstand nichts mehr, fühlte sich aber sehr erleichtert.
    »Nun beeil dich.« Sie breitete den Matrosenanzug auf dem Bett aus. »Die Familie wartet schon.« Jedes Mal wenn Gillabeth das Wort Familie aussprach, klang es so, als würde
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