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Worldshaker

Worldshaker

Titel: Worldshaker
Autoren: Richard Harland
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01
    Ein Geräusch riss Col aus dem Tiefschlaf. Draußen auf dem Korridor ging etwas vor sich: hastige Schritte erklangen, Befehle und Fragen. Kabinentüren wurden aufgerissen und wieder zugeschlagen. Der Krach kam näher.
    Plötzlich wurde seine Tür aufgerissen. Im trüben blauen Licht des Korridors zeichneten sich zwei bedrohliche Silhouetten ab.
    »Licht an!« Der Befehl war eindeutig.
    Die beiden Gestalten sprangen in die Kabine und fuchtelten dabei mit ihren Waffen herum.
    Col knipste die Nachttischlampe an. In ihrem warmen gelbrosa Schein schrumpften die beiden Gestalten zu ganz gewöhnlichen Unteroffizieren des Wachdienstes zusammen. Cols Herzschlag beruhigte sich. Schließlich waren die ja für die Sicherheit zuständig – ihre schweren hölzernen Schlagstöcke dienten zu seinem Schutz. Aber was hatten sie in diesem Teil des Juggernaut, des Weltschiffs Ihrer Majestät, zu suchen?
    »Oh, Sie sind’s, Master Porpentine, nicht wahr?« Der ranghöhere Unteroffizier, ein Hauptbootsmann, zwirbelte seinen grauen Walross-Schnurrbart. »Entschuldigen Sie bitte die Störung, Sir. Aber wir müssen Ihr Zimmer durchsuchen.«
    »Wonach?«
    Ohne auf die Frage einzugehen, fragte der Hauptbootsmann: »Wie lange sind Sie schon wach, Sir? Haben Sie in den letzten Minuten etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört?« Col setzte sich auf. »Türenschlagen. Und Sie, wie Sie durch die Gänge gepoltert sind.«
    »Sie muss weitergelaufen sein«, flüsterte der junge Bootsmann seinem Vorgesetzten zu. »Auf diesem Deck vergeuden wir nur unsere Zeit.«
    » Sie? Wer ist damit gemeint?«, fragte Col.
    »Eine Dreckige«, platzte der Junge heraus und hielt sich schnell die Hand vor den Mund. »Ich meine –«
    »Halten Sie die Klappe, Jull!« Der Hauptbootsmann fuhr herum und versetzte Jull mit dem Schlagstock einen krachenden Schlag auf den Oberarm. Col war entsetzt.
    Der Wachmann wandte sich ihm wieder zu. »Das haben Sie jetzt nicht gehört, Sir, nicht wahr?«
    »Doch! Was hat eine Dreckige auf den oberen Decks zu suchen?«
    »Das haben Sie gar nicht gehört, Sir. Der Junge hat sich einfach hinreißen lassen.«
    »Ich werde die Sache vergessen, wenn Sie mir meine Frage beantworten.«
    »Sie –« Der Hauptbootsmann war rot geworden und geriet zusehends ins Schwitzen. »Tja, sie ist geflohen. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«
    Er stieß Jull mit seinem Schlagstock an und schob ihn Richtung Tür. »Wenn Sie also die ganze Sache vergessen könnten … Das wär’s dann, Sir.«
    Draußen im Gang begann er, im ärgerlichen Flüsterton auf den Jungen einzureden. Col schnappte Enkel von Sir Mormus auf, dann fiel die Tür hinter ihnen ins Schloss, und sie liefen den Korridor hinunter. Erneutes Türenschlagen, neue Befragungen.
    Col konnte es immer noch nicht glauben – eine Dreckige sollte sich auf den oberen Decks rumtreiben? Unvorstellbar!
    Eine Dreckige in seinem Zimmer? Er blickte sich um, aber alles sah aus wie immer: der grüne Teppich, die braunen Samtvorhänge, die helle Tapete … alle seine Bilder – die kluge Eule, der edelmütige Löwe, der tapfere Bär – hingen an ihrem Platz. Das Metallschild über der Tür mit dem eingravierten Worldshaker 1845 war auch an seinem Platz. 1845 war das Jahr, in dem der Worldshaker gebaut worden war, vor nunmehr 150 Jahren. Auch über dem Waschbecken, dem Bücherschrank und dem mannshohen Spiegel waren ähnliche Metallschilder befestigt; nur an dem massiven Kleiderschrank war keines – dieses schwere geschnitzte Eichenmöbel, eine echte Antiquität aus grauer Vorzeit, stammte noch aus der Alten Heimat. Alles war normal – so normal wie das ferne Brummen der Turbinen des Worldshaker , die den Juggernaut vorantrieben.
    Col konnte also beruhigt weiterschlafen, doch als er nach dem Lichtschalter langte, ließ ein plötzlicher Gedanke sein Herz schneller schlagen: Das Geräusch, das ihn geweckt hatte, war nicht das Schlagen einer Tür gewesen – nein, da war etwas anderes gewesen, viel näher bei ihm!
    Jetzt bloß keine Panik! Er hatte sich ja gerade versichert, dass niemand sonst im Zimmer war. Wo hätte der sich auch verstecken können, außer im Schrank … oder unter seinem Bett?
    Er setzte sich auf, schlug den Saum der Tagesdecke zurück und guckte unter das Bett.
    Zwei Augen sahen ihn an.
    Die Dreckige!
    Zehn lange Sekunden verharrte er bewegungslos. Sie war ganz nah, nur die Matratze trennte sie – fast lag er auf ihr!
    Die Augen musterten ihn, nahmen Maß.
    Sie brach als Erste den Bann.
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