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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler
Autoren: Anett Leunig
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herablaufen. Langsam kühlte sich meine Haut ab, öffneten sich die Poren, ließ das Gefühl der Beklemmung und peinigenden Enge in mir nach. Mit meinen seifigen Fingern strich ich mir langsam über Schultern, Bauch und Kreuz weiter nach unten. Ich spürte Befreiung und Erleichterung in mir aufsteigen, während ich den frischen Geruch um mich her tief inhalierte.
    „Du weißt schon, dass du gerade das ganze Bad unter Wasser setzt?“, fragte plötzlich eine Stimme neben mir.
    Ich zuckte zusammen, riss die Augen auf – und blickte geradewegs in Christophs. Er stand direkt vor mir, nackt bis auf den Slip – womit er mir gegenüber einen entscheidenden Vorteil hatte – und grinste mich belustigt an. Ich hatte versehentlich die Kabinentür nicht geschlossen, so dass der Duschstrahl hinter meinem Körper ungehindert in den Raum spritzte.
    „Oh, ich ..., tut mir leid!“, stammelte ich und drehte mit der einen Hand rasch den Brausekopf weg, während ich mit der anderen versuchte, möglichst unauffällig meine unfreiwillige Blöße zu bedecken.
    „Kein Problem, das wischen wir nachher wieder auf“, meinte Christoph. Und dann, mit einem schelmischen Seitenblick auf meine Hand hinunter: „Und das da kannst du ruhig lassen. Da ist nichts, was ich nicht auch kenne.“ Damit zwinkerte er mir freundlich zu und tapste durch die große Pfütze vor der Duschkabine zum Waschbecken. „Wenn du fertig bist, bin ich dran“, rief er mir noch zu, bevor er die Tür hinter sich schloss.
    Oh Gott, wie peinlich!
    Wie lange hatte er da wohl schon gestanden? Hatte er mich beobachtet, wie ich mir die Seife vom Körper gestrichen hatte, mit langsamen, gleitenden Bewegungen, um mich zu entspannen? Wie ich gedankenverloren mein Glied in die Hand genommen und sacht damit gespielt hatte, um den Entspannungsmoment zu vertiefen? Hatte er gesehen, dass es sich augenblicklich noch mehr versteift hatte, als mein Blick auf seinen nackten Oberkörper gefallen war? Die Verlegenheit trieb mir nachträglich die Schamesröte ins Gesicht. Aber das half nun auch nichts mehr.
    Entgegen meinen Befürchtungen erwähnte Christoph den Vorfall weder beim Essen noch später. Er ging entspannt und locker mit mir um wie mit einem guten Kumpel, was auch mich wieder zur Ruhe brachte.

 
    II
    Eigentlich hatte ich vorgehabt, in den Ferien nichts anderes zu tun als zu faulenzen, zu entspannen, abzuschalten. Aber das war nach den Ereignissen der letzten Wochen leichter gesagt als getan. In den ersten Tagen in München zog ich rastlos durch das Haus und den Garten, fand keine Ruhe, konnte mich aber andererseits auch nicht auf die Aufgaben konzentrieren, die ich hin und wieder für Tante Melanie zu erledigen hatte.
    Am Sonntag Abend saßen wir auf der Terrasse und plauderten gemütlich miteinander, jeder ein Glas Wein vor sich. Die Luft war erfüllt vom Brummen der Insekten, die im warmen Licht des späten Abends noch einmal an den bunten Blütenkelchen nippten und dann schlaftrunken heimwärts taumelten. Am Gartenteich hatten sich ein paar Frösche eingefunden und pumpten ihre Luftsäcke mit der duftigen Lauheit um uns herum voll. In wenigen Minuten würden sie ihre Sommerouvertüre anstimmen, begleitet vom eindring-lichen Schreien der Schwalben und – in einem späteren Satz – dem zarten Zirpen der Grillen auf der Wiese. Was für ein Sommerabend!
     Tante Melanie erzählte vom Leben in der Großstadt München, was mich aufheiterte. Sie war Friseurin, kannte daher eine Menge Leute und noch mehr lustige, traurige, phantastische oder ergreifende Anekdoten, die sie uns an Abenden wie diesem sehr unterhaltsam zum Besten gab.
    Christoph erzählte von seinem Studium, was mich sehr interessierte. Er studierte Architektur im Diplomstudiengang an der TU München. Nach den ersten vier Semestern hatte er gerade sein Vordiplom bestanden – mit Bravour, wie Tante Melanie sehr stolz betonte. Wie ich vermutet hatte, ging er in seinem Studium regelrecht auf: seine Augen leuchteten vor Begeisterung, während er mir meine Fragen nach seinem Studentenleben  beantwortete. Er erklärte mir, dass der seltsame Schreibtisch in seinem Zimmer eine Zeichen-maschine war, mit der man die Entwürfe zu den künftigen Modellen erstellte; allerdings arbeitete man in den Architekturbüros mittlerweile mit einem speziellen PC-Programm. Mit verhaltenem, aber trotzdem unverkennbarem Stolz zeigte er mir sein Skizzenbuch, in dem ich die Entwicklung eines Gebäudes von der ersten Idee bis zum fertigen
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