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Wolken über der Wüste

Wolken über der Wüste

Titel: Wolken über der Wüste
Autoren: Diana Palmer
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dass er eine Zigarre in der Hand hielt, die allerdings nicht angezündet war. Wahrscheinlich wusste er, dass man in diesen Räumen nicht rauchen durfte, wollte aber etwas zwischen den Fingern halten. Brianne lächelte verständnisvoll. Sie selbst hatte Probleme, ihre Fingernägel in Ruhe zu lassen und nicht an ihnen zu knabbern, wenn sie nervös war. Vielleicht hielt er die Zigarre in der Hand, damit er nicht an den Nägeln kaute.
    Der Mann sah irgendwie sehr wohlhabend aus. Er trug einen hellen Blazer über einem farblich passenden Hemd, das am Hals offen stand, und dazu eine weiße Hose. Am rechten Handgelenk glänzte eine goldene Uhr, und am linken Ringfinger steckte ein schmaler Ehering. Er hielt auch die Zigarre in der linken Hand, wahrscheinlich war er Linkshänder.
    Er wandte sich jetzt zur Seite, und Brianne musterte sein sonnengebräuntes Gesicht. Der Mund war großzügig und fest, die Nase leicht gebogen. In seinem Kinn entdeckte sie die Andeutung eines Grübchens. Über großen schwarzen Augen wölbten sich dichte dunkle Brauen. Er sah faszinierend aus, und sie war sicher, dass sie ihm schon einmal begegnet war. Dann fiel es ihr ein. Ihr Stiefvater hatte nach seiner Hochzeit mit ihrer Mutter eine große Party für Geschäftsfreunde gegeben, und dieser Mann war dabei gewesen. Er hatte irgendwie mit dem Baugewerbe zu tun. Hutton. Ja, so hieß er. L. Pierce Hutton. Er war der Chef der Hutton Construction Corporation, die sich auf die Errichtung von Bohrinseln, aber auch von Bürohochhäusern spezialisiert hatte. Als Architekt war er relativ bekannt, vor allen Dingen in ökologisch interessierten Kreisen, und die konservativen Politiker mochten ihn nicht, weil er schlampige, halbherzige Umweltschutzmethoden ablehnte und aufdeckte. Ja, sie erinnerte sich an ihn. Seine Frau war vor drei Monaten gestorben, und er sah so aus, als sei er über ihren Tod noch nicht hinweggekommen.
    Wie magisch angezogen, ging Brianne auf ihn zu. Er starrte immer noch auf das Bild, mit einem Gesichtsausdruck, als wollte er es anzünden.
    Sie trat neben ihn. „Ein sehr berühmtes Gemälde. Gefällt es Ihnen nicht?“ Sie reichte ihm nur bis zur Schulter, obgleich sie relativ groß war.
    Er hatte die Augen leicht zusammengekniffen und sah Brianne kalt an.
„Je ne parle pas anglais.“
    „Doch, Sie sprechen Englisch“, gab sie ruhig zurück. „Ich weiß, dass Sie sich nicht an mich erinnern, aber Sie waren bei dem Empfang nach der Eheschließung meiner Mutter mit Kurt Brauer in Nassau.“
    „Ihre Mutter hat mein herzliches Beileid“, sagte er jetzt auf Englisch. „Was wollen Sie von mir?“
    Sie sah ihn mit ihren hellgrünen Augen fragend an. „Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es mir wegen Ihrer Frau sehr Leid tut. Sie wurde bei dem Empfang noch nicht einmal erwähnt. Vermutlich wussten die Leute nicht, was sie sagen sollten. In einem solchen Fall tun sie immer so, als ob nichts gewesen sei, oder sie werden rot und stottern sich irgendetwas zusammen. Das war auch so, als mein Vater starb.“ Sie schwieg und sah kurz zu Boden. „Und dabei wollte ich nur, dass mich jemand in den Arm nimmt und mich weinen lässt.“ Sie lächelte traurig. „Aber auf die Idee kommt wohl niemand.“
    Pierce Hutton sah sie ungerührt an. „Was machen Sie denn in Frankreich? Arbeitet Brauer jetzt von Paris aus?“
    Brianne schüttelte den Kopf. „Meine Mutter ist schwanger. Ich war im Weg, und da haben sie mich hierher in ein Internat geschickt.“
    Er runzelte leicht die Stirn. „Und warum sind Sie dann nicht in der Schule?“
    Sie verzog das Gesicht. „Ich schwänze Hauswirtschaftslehre. Ich will nicht lernen, wie man näht und Kissen bestickt. Mich interessiert Betriebswirtschaft und Bilanzieren.“
    Er räusperte sich. „In Ihrem Alter?“
    „Ich bin beinahe neunzehn. Mathematik ist mein Lieblingsfach.“ Sie lächelte ihn mutwillig an. „Eines Tages werde ich vor Ihrer Tür stehen und Sie um einen Job bitten, nachdem ich mein College-Diplom gemacht habe. Ich schwöre, ich werde diesem Mädchenpensionat entkommen und studieren.“
    Er lächelte halbherzig. „Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg.“
    Brianne blickte zur Mona Lisa hinüber, vor der immer noch eine lange Schlange stand und ungeduldige Stimmen zu hören waren. „Alle wollen unbedingt die Mona Lisa sehen, und dann sind sie enttäuscht, dass das Bild so klein ist und hinter so viel Glas versteckt. Ich habe nämlich gehört, was die Leute sagen. Alle erwarten eigentlich ein
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