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Florentinerpakt

Florentinerpakt

Titel: Florentinerpakt
Autoren: Gmeiner Verlag
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1
    Es war kurz vor Mitternacht, als das Taxi vor
einer schönen, alten, etwas sanierungsbedürftig wirkenden Villa in
Klosterneuburg hielt.
    Eine elegante Dame mittleren Alters stieg aus, bezahlte den
Fuhrlohn und nahm die Reisetasche entgegen, die der Chauffeur aus dem
Kofferraum geholt hatte. Dann öffnete sie das unverschlossene schmiedeeiserne
Gartentor, durchquerte den großzügig dimensionierten Vorgarten und suchte die
Taschen ihres teuren Silberfuchsmantels nach dem Schlüsselbund ab.
    Sie hatte das Haus vor fünf Tagen nach einem heftigen Streit
mit ihrem Mann verlassen und war zu ihrer Mutter nach Gmunden gefahren. Diese
Auseinandersetzung war exakt jener Tropfen gewesen, der das seit einigen Jahren
immer voller gewordene Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hatte.
    Eigentlich hatte sie gar nicht vorgehabt, vor dem 23. des
Monats wieder nach Hause zurückzukehren. Sowohl sie als auch ihr Mann brauchten
viel Zeit zum Nachdenken. Denn so wie bisher konnte es wirklich nicht
weitergehen. Aber nach dem Anruf heute Mittag hatte sie das Gefühl gehabt, dass
es vielleicht doch besser wäre, selbst nach dem Rechten zu sehen. Und das
sofort. Was immer sie auch vorfinden würde, es würde ihre Zukunft stark
beeinflussen. Da war sie sich ganz sicher.
    Der Schlüsselbund musste doch irgendwo im Gepäck sein, in den
tiefen Taschen ihres Edelpelzes hatte sie ihn nicht finden können. Komisch, wie
viele Menschen sich inzwischen über den wunderschönen Mantel aufregten. Alles
Neidhammel, die sich den Luxus einfach nicht leisten konnten und diesen Umstand
mit pseudotierschützerischen Parolen zu kaschieren versuchten. Artenschutz, so
ein Blödsinn. Wo doch jeder wusste, dass diese Viecher speziell gezüchtet
wurden. Ohne ihren Mantel hätten die armen Tiere keine Chance gehabt, überhaupt
auf die Welt zu kommen. Und sie kannte sogar den Züchter. Ein tierliebender
Mensch, der sein Kapital sicher sehr gut behandelte.
    Heute im Zug war sie wieder von so einem verwirrten Wesen
angesprochen worden, das etwas von »Webpelz« gefaselt hatte. Mein Gott, konnten
oder wollten diese Leute wirklich nicht den Unterschied zwischen einem echten
Pelz und billigen Imitaten erkennen?
    Wo war bloß dieser verdammte Schlüsselbund? Die Frau
entschloss sich, nachzusehen, ob ihr Mann seinen Reserveschlüssel »für alle
Fälle« noch immer am selben Ort versteckt hatte.
    Er hatte, und so stand sie wenige Augenblicke später in der
dunklen Eingangshalle. Inzwischen war auch ihr Schlüsselbund aufgetaucht, er
hatte sich in eine Falte der Manteltasche verirrt. Komisch, dass nicht einmal
die kleine Tischlampe eingeschaltet war, die ihr Mann scherzhaft das »ewige
Licht« nannte, weil sie sonst immer brannte.
    Es roch eigenartig. Kein Wunder, ihr Mann achtete nicht
darauf, das Haus regelmäßig zu lüften. Was war das bloß? Na egal. Jetzt wollte
sie nur noch in die Wanne und dann nichts wie ins Bett. Alles andere würde sich
morgen finden, dachte sie, als sie den Schalter für die Deckenbeleuchtung
anknipste.
    Die Explosion zerstörte nicht nur die alte Villa fast zur
Gänze, sondern brachte auch die meisten Fensterscheiben in einem Umkreis von
200 Metern zum Bersten. Aber davon bemerkte die Frau absolut nichts mehr.

     
    *

     
    Knapp sechs Stunden vor dem großen Knall hatte
Hans Garber, Direktor der Filiale der ›Kreditbank Austria‹ in der
Obkirchergasse, sein Reich durch den Nebenausgang verlassen und war in die
sieben Tage vor dem Fest bereits zum Erbrechen weihnachtliche Stimmung des
Adventsmarktes am Sonnbergplatz eingetaucht.
    Er hasste dieses
überkommerzialisierte, jedes Jahr noch früher beginnende scheinheilige Getue,
das sich der Geburt eines unschuldigen Kindes vor etwa 2.000 Jahren als
Feigenblatt bediente, um den Menschen noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen
als schon zwölf Monate zuvor. Und dann diese Musik. Es war fast unmöglich, sich
dieser bereits Mitte Oktober gestarteten Dauerberieselung zu entziehen. Eines
von vielleicht zwei Dutzend deutsch- und fremdsprachiger Weihnachtslieder, die
die gängige »Endlosschleife« bildeten, begleitete einen ständig überall hin.
Erstaunlich, an welchen Orten man noch ›Leise rieselt …‹ oder ›Jingle
bells‹ bei seinen ganz normalen Verrichtungen erdulden musste.
    Fast schon automatisch bahnte er sich seinen Weg zu einem der
Punschstände, die um diese Jahreszeit wie die Schwammerln aus dem Boden
geschossen waren.
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