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Wolken über der Wüste

Wolken über der Wüste

Titel: Wolken über der Wüste
Autoren: Diana Palmer
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Brianne hatte sich immer erfolgreich zu wehren gewusst. Außerdem stimmte es, dass sie Madame Dubonne von dem Techtelmechtel Emilys mit dem Kunstlehrer Dr. Mordeau erzählt hatte. Andere Schülerinnen hatten auch gehört, was da hinter dem Wandschirm vor sich ging, und die Silhouetten hinter dem dünnen Stoff ließen keinen Zweifel zu.
    Am Nachmittag noch ließ sich Dr. Mordeau für längere Zeit krankschreiben, und am nächsten Morgen fehlte Emily in der Klasse. Eines der Mädchen hatte gesehen, wie sie nach dem Frühstück samt Koffern von einem Chauffeur mit einer Limousine abgeholt worden war.
    Danach war die Schule nicht mehr so unangenehm für Brianne, denn Emilys frühere Verbündete stellten sehr schnell fest, dass sie nicht mehr viel zu sagen hatten, und verhielten sich dementsprechend. Brianne freundete sich mit der rothaarigen Cara Harvey an, die gerade erst achtzehn geworden war. Gemeinsam gingen sie in ihrer Freizeit in Kunstgalerien und Museen, von denen es in Paris mehr als genug gab. Brianne hoffte, Pierce Hutton auf diese Weise wieder zu treffen. Der Mann faszinierte sie. Er schien so einsam zu sein. Sie hatte noch nie so viel Mitleid für einen anderen Menschen empfunden. Sie wunderte sich selbst darüber, aber sie versuchte nicht herauszufinden, warum sie so fühlte. Wenigstens jetzt noch nicht.
    Am Tag ihres neunzehnten Geburtstags ging sie allein in den Louvre, um sich noch einmal das Bild anzusehen, vor dem Pierce Hutton damals gestanden hatte. Cara hatte ihr zum Geburtstag gratuliert, sonst hatte keiner etwas zu ihr gesagt. Ihre Mutter hatte sich nicht gemeldet, was Brianne nicht weiter erstaunte. Ihr Vater hätte ihr Rosen oder ein Geschenk geschickt, aber ihr Vater war tot. Noch nie hatte sie sich an ihrem Geburtstag so einsam gefühlt.
    Als sie das Museum wieder verließ, stellte sie fest, dass dieses Mal selbst ein Besuch des Louvre ihre Stimmung nicht heben konnte. Brianne drehte sich um die eigene Achse, und der lange Rock schwang ihr um die Fußgelenke; er war hellgrün und ließ die Farbe ihrer grünen Augen noch intensiver erscheinen. Dazu trug sie ein einfaches weißes Baumwollhemd und flache Schule. Statt eine Handtasche mitzunehmen, hatte sie sich eine Gürteltasche umgebunden, was viel bequemer war. Das lange blonde und dichte Haar trug sie offen. Sie warf ungeduldig den Kopf zurück. Wie gerne hätte sie Locken gehabt wie einige Mädchen in ihrer Klasse. Aber ihr Haar fiel glatt ohne Wellen bis zur Taille. Sie sollte es sich wirklich bald schneiden lassen.
    Es wurde langsam dunkel, und bald müsste sie im Internat zurück sein. Sie beschloss, ausnahmsweise ein Taxi zu nehmen. Suchend blickte sie die Straße auf und ab. Nicht weit entfernt war ein Bistro. Sie war durstig und wollte etwas trinken. Bestimmt gab es dort ein Glas Wein. Dann würde sie sich wenigstens so erwachsen vorkommen, wie es ihrem Alter entsprach.
    Als sie eintrat, merkte sie gleich, dass es sich hier weniger um ein Bistro als um eine exklusive, gut besuchte Bar handelte. Das Geld, das sie bei sich trug, würde nicht reichen. Sie verzog enttäuscht den Mund und wandte sich zum Gehen, als eine kräftige Hand plötzlich ihr Handgelenk umfasste.
    Sie sah erschreckt hoch und blickte in die schwarzen Augen von Pierce Hutton. „Na, haben Sie Angst vor der eigenen Courage?“ fragte er. „Dürfen Sie denn noch keinen Alkohol trinken?“
    Er sprach langsam und ein bisschen unsicher. Eine dicke Strähne seines schwarzen Haares war ihm in die Stirn gefallen, und er atmete unregelmäßig.
    „Ich bin heute neunzehn geworden“, sagte Brianne zögernd.
    „Wunderbar. Dann können Sie mich nach Hause fahren. Kommen Sie herein.“
    „Aber ich habe doch kein Auto“, protestierte sie.
    „Ehrlich gesagt habe ich auch keins hier. Gut, dann brauchen wir wenigstens nicht zu überlegen, wer fährt.“
    Er führte sie an einen Ecktisch, auf dem eine Whiskyflasche und zwei Gläser standen, ein breites halbhohes Whiskyglas und ein Wasserglas mit Mineralwasser. Die Mineralwasserflasche stand daneben, und in einem Aschenbecher lag eine dicke qualmende Zigarre.
    „Ich vermute, Sie mögen Zigarrenrauch nicht.“ Er zwängte sich leicht schwankend neben sie auf die gepolsterte Bank hinter den kleinen Tisch. Offenbar hatte er hier schon eine Zeit lang gesessen.
    „Draußen macht es mir nichts aus“, sagte Brianne, „aber drinnen tut es meinen Lungen weh. Ich hatte erst im Winter eine Lungenentzündung und habe mich noch nicht ganz
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