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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen
Autoren: H Fallada
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sein – die Vormittagsgeräusche blieben sich nach acht ziemlich gleich. Es war möglich, daß die Wirtin, Frau Thumann, gleich mit dem Morgenkaffee hereinkam. Nach Wolfgangs Wünschen hätte sie aufstehen und sich anständig bekleiden, auch ihn zudecken müssen. Nun gut, sie würde es gleich tun. Wolfgang hatte so überraschende Anfälle von Anstand …
    »Es ist doch gleich«, sagte sie etwa zu ihm. »Die Thumann ist es so und noch ganz anders gewöhnt. Wenn sie nur ihr Geld bekommt, stört sie gar nichts …«
    »Stören –?« hatte Wolfgang zärtlich gelacht. »Stören, wenn sie dich so sieht –?!!«
    Er hatte sie angesehen. Immer wurde ihr unter solchen Blicken von ihm schwach und zärtlich. Sie hätte ihn an sich ziehen mögen, aber da sagte er schon ernster: »Es ist doch unsertwegen, Peter, unsertwegen! Wenn wir jetzt auch drinsitzen im Dreck: richtig im Dreck sind wir erst, wenn wir nicht mehr auf uns aufpassen …«
    »Ein Kleid macht doch nicht anständig, kein Kleid nicht unanständig«, fing sie an.
    »Und wenn es nur ein Kleid ist! Darauf kommt es nicht an!« hatte er fast heftig gesagt. »Wenn es nur irgend etwasist, was uns erinnert. Wir sind kein Dreck, ich nicht und du auch nicht. Und habe ich es erst einmal geschafft, wird uns alles viel leichter sein, wenn wir uns hier nicht wohl gefühlt haben, in diesem Dreckloch. Wir dürfen bloß nicht mitmachen mit denen hier!«
    Er murmelte nur noch, seine Worte verloren sich im Unverständlichen. Er dachte wieder daran, wie er es »schaffen« würde, er war weg von ihr. (Er war viel weg von ihr, seinem Peter.)
    »Wenn du es geschafft hast, werde ich nicht mehr bei dir sein«, hatte sie einmal gesagt.
    Ein Weilchen war Stille gewesen, dann hatte ihn doch in seinem Grübeln erreicht, was sie gesagt hatte.
    »Du wirst bei mir sein, Peter!« hatte er heftig geantwortet. »Immer und immer. Glaubst du denn, ich vergesse das, wie du Nacht für Nacht auf mich wartest?! Ich vergesse das, wie du hier sitzt – in dem Loch – ohne alles?! Ich vergesse, daß du mich nie fragst und nie drängst, wie ich auch komme?! Oh, Peter!!« hatte er gerufen, und seine Augen leuchteten mit jenem Glanz, den sie nicht mochte, denn es war ein Glanz, den nicht sie entzündet. »Letzte Nacht war es fast soweit! Es war ein Augenblick, wie ein Berg lag das Geld vor mir … Ich fühlte, es war beinahe soweit, nur noch ein-, zweimal … Nein, ich mache dir nichts vor. Ich habe an nichts Bestimmtes gedacht, an kein Haus, keinen Garten, kein Auto, nicht an dich … Es war wie eine plötzliche Helle vor mir, nein, eine strahlende Helle in mir, das Leben war so weit und klar, wie der Himmel, wenn die Sonne aufgeht, es war alles rein …
    Dann …«, er senkte die Stirne, »… sprach mich eine Nutte an, und von da an ging alles verquer …«
    Er hatte mit gesenkter Stirn am Fenster gestanden. Sie fühlte, als sie seine zuckende Hand zwischen die ihren nahm, wie jung er war, wie jung seine Begeisterung, wie jung seine Verzweiflung, wie jung und ohne alle Verpflichtung, was er ihr sagte …
    »Du wirst es schaffen!« sagte sie leise. »Aber wenn du es geschafft haben wirst, werde ich nicht mehr bei dir sein.«
    Er zog seine Hand zwischen den ihren hervor.
    »Du wirst bei mir bleiben«, sagte er kalt. »Ich vergesse nichts.«
    Sie wußte, er hatte eben an seine Mutter gedacht, die ihr einmal ins Gesicht geschlagen. Sie wollte nicht darum bei ihm bleiben, weil seine Mutter sie einmal geschlagen hatte.
    Und nun, von heute an, würde sie doch bei ihm bleiben, für immer. Noch hatte er es zwar nicht geschafft, und sie wußte längst, auf dem bisherigen Wege würde nie etwas draus werden. Aber was tat das? Weiter dieses schmierige Zimmer, weiter nicht wissen, wovon morgen leben, sich kleiden, weiter alles unklar – aber an ihn gebunden von heute mittag ein Uhr an!
    Sie griff auf den Stuhl neben ihrem Bett, faßte die Strümpfe und fing an, sie überzustreifen. –
    Plötzlich überfiel sie eine schreckliche Angst, es könne nichts daraus werden, es sei gestern
alles
fehlgegangen, völlig fehl, bis auf den letzten Tausendmarkschein. Sie wagte nicht aufzustehen, um sich zu überzeugen, sie sah mit brennenden Augen auf Wolfgangs Kleider, die über dem Stuhl neben der Tür hingen. Sie versuchte, die Dicke der rechten Jacketttasche, in der er sein Geld aufbewahrte, richtig abzuschätzen.
    Gebühren müssen bezahlt werden, dachte sie angstvoll. Wenn die Gebühren nicht bezahlt werden können, wird
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