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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen
Autoren: H Fallada
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so ruhig mit ihr sein konnte, weil er in den Stunden am Spieltisch all seine Kraft, all seine Verzweiflung über dies sein verblasenes, zielloses und doch so einmaliges Leben verströmen konnte.
    Oh, sie verstand noch weit mehr! Sie verstand, daß er sich selbst täuschte, zum mindesten sich dann selbst täuschte, wenn er immer wieder leidenschaftlich versicherte, er sei kein Spieler …
    »Sage doch selbst, was kann ich Besseres tun!?! Soll ich als Buchhalter Zahlen in ein Buch kritzeln, um zu Ultimo ein Gehalt zu kriegen, mit dem wir verhungern? Soll ich Schuhe verkaufen, Artikelchen schreiben, Chauffeur werden? Peter, das Geheimnis ist: Habe wenig Bedürfnisse, und du hast Zeit für dein Leben. Drei, vier, ach, oft nur eine halbe Stunde am Roulett, und wir können eine Woche, einen Monat lang leben! Ich ein Spieler? Aber es ist eine Hundearbeit, ich würde lieber Mauersteine tragen, statt dazustehen und zu warten und mich nicht fortreißen zu lassen, lockt das Glück einmal. Ich bin eiskalt und berechnend, du weißt, sie nennen mich den Pari-Panther. Sie hassen mich, sie ziehen schon saure Mienen, wenn sie mich nur sehen. Weil ich eben kein Spieler bin, weil sie wissen, es ist nichts bei mir zu holen, weil ich mir jeden Tag meinen kleinen Gewinn abhole und, habe ich ihn, Schluß mache, mich nie verleiten lasse, weiterzuspielen …«
    Und mit einer wunderbaren Inkonsequenz, indem er völlig vergaß, was er eben erst gesagt: Warte nur – laß mich erst einmal den großen Schlag tun! Eine wirkliche Summe, die sich lohnt! Dann sollst du sehen, was wir anfangen! Dann sollst du sehen, daß ich kein Spieler bin! Nie wieder gehe ich denen auf den Leim! Warum denn auch – es ist die gemeinste Viecherei, die es gibt – wer wird denn freiwillig zu so was hingehen, wenn er kein Spieler ist –?!«
    Derweilen sah sie ihn heimkommen, nachtaus, nachtein, mit hohlen Schläfen, feuchtem Haar, glänzenden Augen.
    »Beinahe war es soweit, Peter!« rief er.
    Aber seine Taschen waren leer. Dann versetzte er alles, was sie hatten, behielt nur, was er auf dem Leibe trug (sie war in solchen Tagen zu Bettruhe verurteilt), ging fort, grade genug Geld in der Tasche, um das Minimum an Spielmarken kaufen zu können. Kam wieder, mit einem ganz kleinen Gewinn oder auch einmal – sehr selten – die Taschen gestopft voll Geld. Wenn alles zu Ende schien, das mußte sie zugeben, brachte er immer Geld, wenig oder viel, aber er brachte Geld.
    Er hatte da irgendein »System« über das Rollen der Roulettkugel, ein System der Systemlosigkeit, ein System, das darauf aufgebaut war, daß die Kugel oft nicht das tat, was sie aller Wahrscheinlichkeit nach hätte tun müssen. Er hatte ihr dies System hundertmal erklärt, aber da sie nie ein Roulett gesehen hatte, konnte sie sich von alldem, was er erzählte, kein rechtes Bild machen. Sie bezweifelte auch, daß er sich immer an sein eigenes System hielt.
    Aber wie dem auch war, er hatte es noch stets geschafft. Längst brachte sie es – im Vertrauen darauf – fertig, sich ruhig schlafen zu legen, nicht auf sein Kommen zu warten. Ja, es war sogar besser, sich schlafend zu stellen, wenn sie zufällig einmal wach war. Denn kam er, heimkehrend vom Spiel, heiß vom Spiel, erst einmal ins Reden, gab es die Nacht keinen Schlaf.
    »Wie de det nur aushältst, Mächen«, konnte manchmal die Thumann, die Pottmadamm, kopfschütteln. »Imma alle Nächte wech und imma alle eure Pinke in de Tasche! Und es soll ja da von Edelnutten nur so wimmeln! Ick ließe meinen nich!«
    »Aber Sie lassen Ihren doch auch auf den Bau, Frau Thumann! Eine Leiter kann auch mal abrutschen oder ein Brett durchknacken. Und Nutten gibt es überall.«
    »Gott, verred es nur mit meinem Willem, wo se jrade in’t fünfte Stock mauern! Wo ick mir so schon ängstje! Aba es is doch ein Schiedunta, Mächen! Bauen muß sein, aber Spielen muß nich sein.«
    »Wenn er’s doch aber braucht, Frau Thumann!«
    »Braucht, braucht! Ick hör imma braucht! Meiner erzählt mir ooch imma ville, wat er braucht. Skat und ’ne Zigarre und Molle kräftig und womöglich noch kleene Mächen (aber det erzählt er mir nich!). Aber ick sare ihm: Wat du brauchen tust, is een festet Kommando und freitags die Lohntüte vorm Baubüro in meine Hand! Det brauchste! – Du bist ebent zu jut, Mächen. Aber jut kommt von schwach, und wenn ick dir so ansehe, morjens, wenn ick euch den Kaffeehinserviere, und ick sehe, wie du ihm die Oogen zurollst, bloß, er merkt es jar nich,
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