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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe
Autoren: Susan Hastings
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was war überhaupt eine Apotheke? Ganz sicher wurde dort gezaubert. Wie sonst konnten die Mönche wissen, welche Kräuter sie in welchen Dosen zusammenrühren mussten, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen? Ganz geheuer war ihr die Sache nicht, und einerseits war sie froh, dass sie hier draußen warten konnte. Andererseits war sie wissbegierig, und auch wenn sie ein bisschen Angst hatte, hätte sie sich vielleicht sogar durchgerungen, eine Apotheke zu betreten, wenn die Mönche sie gelassen hätten.
    Aber so war es gut, wie es war, und sie wartete geduldig, bis sich die Klosterpforte wieder öffnete. Pater Geoffroy trug ein kleines Körbchen in der Hand. Er zeigte es Viviane.
    »In diesem Beutelchen befindet sich ein Tee. Er löst den Husten in der Brust und regt zum Schwitzen an. Das Krankheitsbild wird sich anfangs verstärken. Keine Bange, der Körper schwemmt nur die bösen Säfte aus, die ihn plagen. Nach drei mal drei Tagen wird der Husten weg sein. In diesem Fläschchen befindet sich ein Tonikum, von dem deine Mutter nach dem sechsten Tag täglich dreimal einen Löffel voll zu sich nehmen soll. Es stärkt sowohl den Geist als auch den Körper, regt den Appetit an und fördert den Frohmut. Mit dieser Salbe jedoch reibe ihren Körper ein, wenn sie nicht mehr schwitzt, vor allem Brust und Rücken, und tue dies auch dreimal am Tag. Damit wird sie besser atmen können, und die Haut wird wieder straff und rosig. Sie duftet sehr stark und brennt, wenn man sie in die Augen reibt. Also achte darauf, dass du sie sorgsam anwendest.«
    Er drückte Viviane das Körbchen in die Hand.
    »Lieber Pater Geoffroy, wie kann ich Euch nur danken?« Sie zog eine Münze unter ihrem Kittel hervor, doch der Mönch lehnte mit einer höflichen Geste ab.
    »Gott lehrte uns, für die Armen und Kranken, die Schwachen und Bedürftigen zu sorgen. Es ist unsere Art von Nächstenliebe, allen Bewohnern des Dorfes zu helfen. Selbstverständlich schließen wir deine Mutter in unsere Fürbitten ein und wünschen ihr eine baldige Genesung.« Er erhob sich. »Lass uns ein Stück des Wegs gemeinsam gehen, ich will nach den Schafen sehen, die dort drüben weiden. Hin und wieder entfernt sich ein Tier zu weit von der Herde und ängstigt sich dann. Auch die Tiere gehören zu den schwachen Kreaturen, für die wir verantwortlich sind.«
    Viviane schlenderte neben ihm her. Sie unterhielt sich gern mit den Mönchen, vornehmlich mit Pater Geoffroy, aber auch einige andere wussten viele interessante Dinge zu erzählen. Sie konnten schreiben und lesen, besaßen eine Bibliothek mit unzähligen Büchern, die sie zum Teil selbst abschrieben und prächtig ausgestalteten. Sie erforschten die Sterne und die Pflanzen, erprobten die Wirkung von Kräutern und Tinkturen. Und natürlich kannten sie sich bestens in allen Glaubensfragen aus. Sie spendeten Trost und Beistand, tauften die Kinder und vermählten die Paare, beteten für die Kranken und Verschollenen, für die Verstorbenen und ihre Seelen, damit sie in den Himmel kamen. Sie brauten Bier und buken Brot, sie bauten Korn und Rüben an und Blattgemüse. Sie hielten Ziegen, Schafe und sogar Schweine, Hühner und Gänse, Maultiere und Ochsen. Sie arbeiteten hart, beteten viel, schliefen wenig. Und doch halfen sie jedem, der sie um Hilfe bat.
    »Morgen früh werden wir ins Dorf kommen, um Fische zu kaufen, wenn die Fischer vom Fang zurückkehren«, sagte Pater Geoffroy. »Da werde ich auch nach deiner Mutter schauen, ob die Medizin schon anschlägt. Aber sie muss Geduld haben und das Beten nicht vergessen.« Ein Lächeln stand in seinem runden Gesicht. »Das Beten ist das Wichtigste!«
    »Ich weiß«, erwiderte Viviane versonnen. »Ich werde es Mutter ausrichten.«
    »Aus dem Gebet schöpfen wir die Kraft«, fuhr Pater Geoffroy fort. »Das Gebet ist die Zwiesprache mit Gott, die …« Er brach mitten im Satz ab und starrte mit offenem Mund und aufgerissenen Augen aufs Meer.
    »Was habt Ihr, Pater Geoffroy?«, wollte Viviane wissen. Ihre Augen folgten seinem Blick, und sie erstarrte ebenfalls. Hinter der Landzunge, die die Bucht nach Osten abschirmte, schob sich ein Schiffsbug hervor. Er sah aus wie ein Pferdekopf mit geschwungenem Hals. Ihm folgte ein schlanker Bootskörper mit geblähtem Segel. Ein zweiter gebogener Drachenbug erschien hinter der Klippe, dann ein dritter.
    »Wikinger!« Pater Geoffroy ächzte. »Schnell, Mädchen, bring dich in Sicherheit. Alarm! Alarm! Komm mit ins Kloster. Das werden sie wohl
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