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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe
Autoren: Susan Hastings
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herbeizerrte.
    »Er ist der Einzige, den ich erwischen konnte«, sagte der Mann. »Diese Hammel sind genauso verstockt wie ihre Besitzer.«
    Es war nur eine Handbewegung des Anführers, die dem Mann signalisierte, was er zu tun hatte. Er zog ein Messer aus dem Gürtel, schlachtete den Hammel und häutete ihn. Dann nahm er ihn aus und steckte ihn auf einen großen Ast. Aus vier Balken zimmerte er grob zwei Kreuze, die er neben einem Feuer plazierte. Er legte den gepfählten Hammel darüber und begann ihn langsam über der Glut zu drehen. Nicht lange, und ein verführerischer Bratenduft breitete sich aus.
    Viviane, deren Magen schon seit Stunden knurrte, krümmte sich zusammen. Gleichzeitig mit dem heftigen Hunger befiel sie Übelkeit. Von diesen Räubern würde sie keinen Bissen annehmen. Offenbar hatten die Wikinger ihre Beute auf den Schiffen verstaut und kamen nun zurück, um am Mahl teilzunehmen. Sie hockten sich um das Feuer, lachten und unterhielten sich und warteten, bis das Fleisch gar war. Keiner kümmerte sich um die Gefangenen.
    Viviane ertastete hinter ihrem Rücken einen Stein. Im Schutze der Dunkelheit musste sie versuchen, sich zu befreien. Vielleicht konnte sie mit Hilfe des Steins ihre Fesseln zerschneiden. Doch der Stein war von der Brandung rund geschliffen. Trotzdem versuchte sie, an einer rauhen Stelle das Seil anzuritzen. Wenn sie erst einmal einen Anfang gefunden hatte, würde sie es bestimmt durchscheuern können. Hin und wieder warf sie einen Blick hinüber zu den Männern. Doch die hatten nur Augen für den Hammel am Spieß. Unverdrossen scheuerte sie mit den Fesseln über den Stein. Es tat höllisch weh, und sie biss die Zähne zusammen.
    Währenddessen brutzelte das Hammelfleisch, und die Wikinger begannen mit ihren Messern große Stücke herauszuschneiden. Sie taten dies grobschlächtig und großzügig. Gierig bissen sie hinein und schlangen die Stücke herunter wie Tiere. Mit den Ärmeln ihrer groben Kittel wischten sie sich das tropfende Fett vom Kinn.
    Viviane wandte angeekelt den Kopf ab und rieb verbissen weiter. Die Fessel treidelte etwas auf und gab nach. Das machte ihr Mut. Plötzlich gab es einen Ruck, und ihre Hände waren frei. Sie blieb sitzen und blickte sich vorsichtig um. Die Wikinger fühlten sich so sicher, dass sie nicht einmal Wachen aufgestellt hatten. Langsam ließ sich Viviane zur Seite sinken, als wolle sie schlafen. Dann zog sie die Arme nach vorn und rieb ihre schmerzenden Handgelenke. Sie stützte sich auf die Ellenbogen und begann sich kriechend vorwärtszubewegen. Immer wieder hielt sie inne und blickte sich um. Niemand bemerkte etwas. In ihren Schläfen hämmerte das Blut, und sie überlegte fieberhaft, wie sie vorgehen sollte. Sie musste die Gefangenen befreien. Aber wie? Sie hatte kein Messer bei sich, um ihnen die Fesseln durchzuschneiden. Sie musste sich eine Waffe besorgen, ein Schwert, einen Dolch, notfalls von einem der Getöteten.
    Sie kroch weiter, vom Feuer weg, auf eine dunkle, reglos am Boden liegende Gestalt zu. Es war einer der Fischer aus dem Dorf. Sein Körper erkaltete langsam, und Viviane schauderte, als sie die Hand ausstreckte und nach seinem Gürtel tastete. Jeder Fischer trug ein kleines Messer bei sich, das wusste sie genau. Es hatte schon manchem von ihnen das Leben gerettet, wenn sie sich in einem der Netze oder Taue verhedderten und über Bord gezogen zu werden drohten. Halb unter dem leblosen Körper ertastete Viviane das kühle Metall. Langsam, mit angehaltenem Atem, zog sie das Messer hervor. Sie fühlte am verzierten Griff, dass es ein Messer aus der Schmiede ihres Vaters war. Das verlieh ihr Zuversicht und Mut. Ihre Hand schloss sich fest um den Griff. Stück für Stück zog sie es unter dem Körper des Fischers vor. Sie atmete auf, als sie es geschafft hatte. Noch ein prüfender Blick, dann schnitt sie eilig ihre Fußfesseln durch.
    Die Wikinger hatten begonnen, lautstark zu singen. Das reichlich genossene Bier lockerte ihre Zungen. Ihre Lieder klangen rauh und rhythmisch. Einige Männer sprangen auf und stampften mit den Füßen im Takt. Gegen das hell brennende Feuer hoben sie sich wie unheimliche, schwarze Gestalten ab. So stellte Viviane sich die Teufel der Hölle vor, wild, ungebärdig, im animalischen Tanz um das Feuer.
    Diese Wikinger waren Teufel, mordlustige Räuber, gnadenlose Eroberer und seelenlose Wilde; Heiden, die Götter anbeteten, ebenso animalisch wie sie. An den Boden geduckt wie eine Raubkatze auf Beutefang,
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