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Wogen der Liebe

Wogen der Liebe

Titel: Wogen der Liebe
Autoren: Susan Hastings
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Der Überfall
    D ong – dong – dong – dong. Das rhythmische Klopfen der Hämmer auf den Amboss klang zu Viviane herüber. Sie kniete am Eingang der Hütte vor einem großen hölzernen Trog, in dem sie den Brotteig knetete. Von der Schmiede gleich neben der Hütte wogte der Rauch des Feuers herüber und mischte sich mit der salzig-feuchten Luft, die vom Meer herwehte. Vivianes Blick schweifte über den Strand, hinter dem sich das dunkle Meer erstreckte. Heute schien es besonders friedlich. Die kleinen Wellen schwappten an das sandige Ufer, auf dem ein einziges Boot lag. Es war alt und sein Boden leckgeschlagen. Einst hatte es Vivianes Bruder Angus gehört. Doch Angus lebte nicht mehr.
    Der Vater war niemals damit einverstanden gewesen, dass Angus Fischer wurde. Der Sohn eines Schmieds hatte das Handwerk des Vaters zu erlernen und die Tradition fortzuführen. Schon immer waren die Söhne in der Ahnenreihe des Hengist Folkming Schmiede gewesen. Gute Schmiede. Doch Angus schlug aus der Art. Schon als Kind stand er am Strand und starrte wie gebannt auf das Meer hinaus. Wenn die Fischer in der Nacht aufbrachen, um neue Fanggründe zu erschließen, und ihre Netze in das glitzernde Wasser auswarfen, dann wünschte er nichts sehnlicher, als mit ihnen zu fahren. Manchmal nahm ihn der eine oder andere Fischer mit, wenn er gar zu sehr bettelte. Doch meist gab es danach Ärger mit Hengist, der es Angus verboten hatte. Vor dem Schmied hatten alle Männer im Dorf Respekt. Nicht nur, weil er Muskeln und die Kräfte eines Bären besaß, sondern auch, weil er immer schwarz verrußt aussah wie ein Höllengeist. Außerdem neigte er zu jähzornigen Ausbrüchen, die seine Kraft noch verdoppelten. Nachdem Hengist einige Fischer derart verprügelt hatte, dass sie tagelang nicht ihrer Arbeit nachgehen konnten, nahm niemand mehr Angus mit hinaus zum Fang, so sehr er auch bat und flehte. Von da an arbeitete Angus in der Schmiede und lernte von Hengist das Handwerk.
    Nach getaner Arbeit aber verschwand Angus regelmäßig. Zunächst glaubte Hengist, sein Sohn wandele auf Freiersfüßen, und er drängte ihn, endlich den Namen seiner Auserwählten zu verraten, damit er einen Brautwerber beauftragen konnte. Doch Angus lächelte nur und schwieg. Eines Tages dann brachte er sein Geheimnis mit nach Hause. Es war ein Boot, das er sich selbst gebaut hatte. Er teilte Hengist seinen Entschluss mit, Fischer zu werden und mit den anderen hinaus aufs Meer zu fahren. Erst hatte Hengist gebrüllt, dann holte er seinen großen Schmiedehammer, um das Boot zu zerschlagen. Im heftigen Ringkampf zwischen Vater und Sohn, dem das ganze Dorf beiwohnte, fiel Angus’ Mutter, die zierliche Cedrilla, Hengist in den Arm.
    »Versündige dich nicht, dein eigen Fleisch und Blut zu töten«, schrie sie.
    Erst da kam Hengist wieder zur Besinnung, er blieb reglos stehen, ließ den Hammer aus der Hand fallen, drehte sich um und würdigte seinen Sohn keines Blickes mehr. Das blieb auch später so, als Angus hinaus aufs Meer fuhr und mit reichlich Fisch zurückkam. Hengist rührte keinen Bissen des Fischs an, den Angus fing und den die Mutter zubereitete. Stattdessen tauschte Hengist seine eigene Ware, Messer, Werkzeug, Beschläge und allerlei Zubehör, mit den anderen Fischern gegen deren Fisch. Cedrilla musste ihn dann zubereiten, und Hengist achtete ganz genau darauf, dass Cedrilla die Fische nicht verwechselte.
    Viviane war noch zu klein, um zu begreifen, was für eine Tragödie sich da vor ihren Augen abspielte. Sie schaute immer bewundernd zu ihrem Bruder auf, der doch so ganz anders war als sie. Angus ähnelte seiner Mutter, einer stillen, aber im Innern zähen und kämpferischen Frau, die im Leben viel Leid erfahren hatte. Sie stammte von den Pikten hoch im Norden ab, und ihre Vorfahren waren auf eine geheimnisvolle Weise auf die kleine südenglische Insel gekommen. Man erzählte, sie seien Gefangene gewesen und von den keltischen Kriegern versklavt worden. Aber so genau wusste es keiner. Cedrilla jedenfalls war frei, wenngleich sie immer noch die blauen Zeichen auf der Haut trug wie ihre Ahnen. Aber die hatte sie als Kind schon bekommen, und sie konnte selbst nicht sagen, welche Bedeutung sie besaßen. Sie hatte die kleine Gestalt und das dunkle Haar an Angus vererbt. Und wahrscheinlich auch das rebellische Wesen. Allerdings hatte Cedrilla selten Gelegenheit, gegen Hengist aufzubegehren. Im Normalfall war er ja auch eher gutmütig, und sie kam gut mit ihm
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