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Wofuer wir kaempfen

Wofuer wir kaempfen

Titel: Wofuer wir kaempfen
Autoren: Tino Kaeßner , Antje Kaeßner
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Präsenz der internationalen Truppe dort auch brauchen.« Mit diesem Anschlag, so der Nachrichtensprecher, wären seit Beginn des Auslandseinsatzes der Bundeswehr in Afghanistan im Dezember 2001 bereits 18 Soldaten »ums Leben gekommen«. Der Nachrichtensprecher sagt nicht »gefallen« denn nach offizieller Lesart herrscht kein Krieg in Afghanistan.
    Strucks designierter Nachfolger Dr. Franz Josef Jung bereitet sich zu gleicher Zeit im Verteidigungsministerium auf die Amtsübernahme vor und meldet sich von dort: »Ich stehe in der Kontinuität und ich denke, dass wir diese Verantwortung wahrzunehmen haben, weil wir hier eine internationale Vereinbarung erfüllen und eine friedenssichernde Funktion wahrnehmen.
Und trotzdem muss so ein heimtückischer terroristischer Anschlag mit aller Schärfe verurteilt werden, und deshalb gehören unsere Anteilnahme und unser Mitgefühl jetzt den Angehörigen und Familien der verletzten und getöteten Soldaten. «
    In Berlin gibt der noch amtierende Außenminister Joschka Fischer die Marschrichtung aus, dass trotz aller Trauer der Einsatz weitergehen muss: »Ich bin entsetzt und erschüttert über den heutigen Anschlag in Kabul. Die Bundesregierung verurteilt diesen Anschlag auf das Schärfste. Unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Ihnen gilt unser tiefes Mitgefühl, den Verletzten wünschen wir baldige und vollständige Genesung. Der heutige Anschlag macht deutlich, dass der Kampf um Stabilität und Sicherheit in Afghanistan noch nicht gewonnen ist. Ziel der Terroristen, die dieses Attentat verübt haben, ist es, den Wiederaufbau- und Demokratisierungsprozess zu sabotieren, der mit dem Abschluss der ersten freien Parlamentswahlen einen weiteren ganz wichtigen Schritt vorangebracht wurde. Dieses Kalkül wird nicht aufgehen. Afghanistan kann auch in Zukunft auf die Unterstützung der Bundesrepublik zählen.«
    Eine Ahnung wird zur Gewissheit
    Ich denke noch darüber nach, was diese ganzen Politikerworte für mich und Tino zu bedeuten haben, als mein Handy klingelt: »Hallo, hier ist der Paketdienst. Wir haben eine Zustellung, Ihre Anschrift ist leider unleserlich geworden – können Sie uns bitte noch mal Ihre genaue Adresse nennen?« Ich habe mich noch gewundert, woher ein Paketdienst meine Handynummer hat. Erst später sagen sie es mir: Es sind Tinos Kameraden aus Murnau, die mich dringend suchen Sie wollen helfen. Sie wollen zu mir, um in meiner Nähe zu sein, wenn sie
mir sagen, dass Tino schwer verletzt ist. Es gibt für diese Ereignisse die Anweisung, dass den Angehörigen die Nachricht persönlich überbracht wird, zu zweit, und nie am Telefon.
    Ich werde immer nervöser, an Arbeiten ist nicht mehr zu denken. Ich will meinem Chef sagen, dass ich nach Hause fahre – aber er lehnt ab. Er ist seltsam ruhig und bittet mich, noch ein paar Korrekturen auszuführen, bevor ich gehe. Sobald ich fertig bin, gibt er mir weitere kleine Aufträge. Leicht zu erledigen – aber es würde Zeit brauchen. Mein Chef weiß da bereits Bescheid. Die Feldjäger haben ihn angerufen, er solle mich unbedingt im Büro halten.
    Ich ahne, dass etwas auf mich zukommt. Unruhig beginne ich meinen Schreibtisch aufzuräumen, den Computer abzuschalten, die Ablage zu sortieren. Ich trage schmutzige Kaffeetassen in die Küche, rauche mit tiefen Zügen meine nächste Zigarette. Es ist wie vor einem langen Urlaub oder nach einer Kündigung, wenn man für die, die bleiben, alles Wichtige geordnet hinterlassen möchte. Als ich fertig bin, will ich bei meinem Chef eine regelrechte Übergabe machen und mich verabschieden. Ich bin entschlossen zu gehen und sicher, dass ich längere Zeit nicht mehr in die Agentur kommen werde, falls eintritt, was ich befürchte. Ich will gerade eintreten, als ich hinter seiner halb geöffneten Bürotür zwei Feldjäger stehen sehe, einer von ihnen ist Tinos Bataillonskommandeur. Wie vor den Kopf gestoßen gehe ich die Treppe rückwärts wieder hinunter in mein Büro, Schritt für Schritt, die Hand am kalten Geländer. Gedanken schießen mir durch den Kopf: »O nein – jetzt ist es wirklich wahr. Hoffentlich ist Tino nicht tot. Tino!« Wenn die Feldjäger persönlich an meinen Arbeitsplatz kommen, dann sieht es nicht gut aus. Ich verliere sprichwörtlich den Boden unter den Füßen und brauche einen Moment, um mich wieder zu fassen. Die Korrekturen drücke ich wortlos einem Kollegen in die Hand, dann nehme ich meinen ganzen Mut zusammen
und gehe ins Büro vom
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