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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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Unzerstörbarkeit zu vergewissern.
    »Du wirst sie immer vermissen«, sagte er leise, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Aber im Lauf der Zeit wird der Schmerz verblassen.«
    »Allmählich empfinde ich eher wie ein Vampir als wie eine Hexe«, gestand ich traurig. »Zu viele Abschiede, zu viele geliebte Menschen, die ich nicht wiedersehen werde.« Ich warf einen Blick auf den Wandkalender. Er zeigte den November. Ich machte Matthew darauf aufmerksam.
    »Ist es möglich, dass seit letztem Jahr niemand mehr hier war?«, fragte er besorgt.
    »Es muss etwas passiert sein.« Automatisch griff ich nach dem Telefon.
    »Nein«, hielt Matthew mich zurück. »Die Kongregation könnte das Telefon abhören oder das Haus überwachen. Man erwartet uns auf Sept-Tours. Dort müssen wir hin, ob wir nun ein Jahr oder nur eine Stunde weg waren.«
    Wir fanden unsere modernen Anziehsachen auf dem Trockner, wo sie in einer Kopfkissenhülle steckten, damit sie nicht staubig wurden. Matthews Aktenkoffer lag daneben. Zumindest Em war hier gewesen, nachdem wir abgereist waren. Niemand sonst hätte an so praktische Dinge gedacht. Ich steckte unsere viktorianischen Kleider in das Leinen, weil ich diese Erinnerungsstücke an unser früheres Leben bewahren wollte, und schob es mir wie einen klumpigen Ball unter den Arm. Matthew legte die Seite aus Ashmole 782 in seine Ledertasche und verschloss sie.
    Bevor wir das Haus verließen, suchte Matthew mit wachem, für alle möglichen Gefahren geschärftem Blick den Obstgarten und die Felder ab. Ich ließ mein Hexenauge über die Umgebung wandern, aber da draußen schien niemand auf uns zu warten. Ich konnte das Wasser unter dem Obstgarten sehen, die Eulen in den Bäumen hören, die Süße des Sommers in der Abenddämmerung schmecken, aber mehr auch nicht.
    »Komm.« Matthew griff nach einem der Bündel und nahm meine Hand. Wir rannten über die freie Fläche zur Scheune. Matthew stemmte sich mit seinem Gewicht gegen das Schiebetor und drückte, aber es rührte sich nicht vom Fleck.
    »Sarah hat es mit einem Zauber gesichert.« Ich konnte sehen, wie er sich um den Riegel wand und durch die Holzmaserung ging. »Einem richtig guten.«
    »Zu gut, um ihn zu brechen?« Matthew kniff besorgt die Lippen zusammen. Es überraschte mich nicht, dass er sich Sorgen machte. Als wir das letzte Mal hier gewesen waren, hatte ich nicht einmal die Kerzen in den Halloweenkürbissen anzünden können. Ich entdeckte die losen Enden des Bandes und grinste.
    »Keine Knoten. Sarah ist gut, aber sie ist keine Weberin.« Ich hatte meine elisabethanischen Seidenschnüre in den Bund meiner Leggings gesteckt. Sobald ich sie herauszog, richteten sich das grüne und das braune Band in meiner Hand auf, hefteten sich an Sarahs Zauber und lösten schneller, als es selbst unserem Meisterdieb Jack möglich gewesen wäre, die Fesseln, die meine Tante dem Tor angelegt hatte.
    In der Scheune parkte Sarahs Honda.
    »Wie zum Teufel willst du da reinpassen?«, rätselte ich.
    »Das schaffe ich schon.« Matthew warf unsere Sachen auf die Rückbank. Er reichte mir die Aktentasche, faltete sich auf dem Fahrersitz zusammen, und nach ein paar Versuchen sprang der Motor stotternd an.
    »Und wohin jetzt?«, fragte ich und schloss den Sicherheitsgurt.
    »Nach Syracuse. Und dann nach Montreal. Von dort aus nach Amsterdam, wo ich ein Haus besitze.« Matthew legte den Gang ein, und der Wagen rollte leise aufs Feld. »Falls tatsächlich jemand Ausschau nach uns hält, wird man uns in New York, London oder Paris suchen.«
    »Wir haben keine Pässe«, sagte ich.
    »Sieh unter der Fußmatte nach. Marcus hat Sarah bestimmt erklärt, dass wir dort danach suchen würden«, sagte er. Ich schälte die schmutzigen Matten zurück und entdeckte Matthews französischen Pass und meinen amerikanischen.
    »Warum ist dein Pass nicht rot?«, fragte ich, nachdem ich ihn aus dem verschweißten Plastikbeutel geholt hatte (auch etwas, wofür Em gesorgt hat, dachte ich).
    »Weil es ein Diplomatenpass ist.« Er lenkte den Wagen auf die Straße und schaltete die Scheinwerfer ein. »Es müsste auch einer für dich da sein.«
    Mein französischer Diplomatenpass, ausgestellt auf den Namen Diana de Clermont, verheiratet, lag eingeklappt in dem amerikanischen Dokument. Wie Marcus es geschafft hatte, mein Foto zu duplizieren, ohne dabei das Original zu beschädigen, blieb sein Geheimnis.
    »Bist du auch heute noch Spion?«, fragte ich ihn beklommen.
    »Nein. Das ist wie mit den
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