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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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Hubschraubern«, erwiderte er lächelnd. »Einfach eine der Vergünstigungen, die man als de Clermont genießt.«
    Ich verließ Syracuse als Diana Bishop und reiste tags darauf als Diana de Clermont in Europa ein. Matthews Haus in Amsterdam stellte sich als barocker Herrensitz am schönsten Abschnitt der Herengracht heraus. Er hatte es gekauft, gleich nachdem er 1605 Schottland verlassen hatte.
    Wir hielten uns dort gerade lange genug auf, um zu duschen und die Kleider zu wechseln. Ich behielt die Leggings an, die ich seit Madison trug, und tauschte nur mein Hemd gegen eines von Matthew. Er kleidete sich wie üblich in grauen und schwarzen Kaschmir und Wolle, obwohl es laut Kalender Juni war. Ich fand es eigenartig, seine Beine nicht mehr zu sehen. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, sie ständig präsentiert zu bekommen.
    »Das ist nur fair«, sagte Matthew. »Schließlich habe ich deine Beine monatelang ausschließlich in unserer Schlafkammer gesehen.«
    Matthew bekam beinahe einen Herzinfarkt, als er feststellte, dass in der Tiefgarage nicht sein geliebter Range Rover stand. Stattdessen wartete dort ein dunkelblauer Sportwagen mit Stoffverdeck auf uns.
    »Ich bringe ihn um«, sagte Matthew, während er das flache Geschoss umrundete. Mit seinem Hausschlüssel öffnete er einen in die Wand eingelassenen Metalltresor. Darin lagen ein weiterer Schlüssel und eine Nachricht: Willkommen. Niemand würde damit rechnen, dass du so was fährst. Es ist sicher. Und schnell. Hi, Diana. M.
    »Was ist das für ein Wagen?« Mein Blick wanderte über die High-tech-Anzeigen in dem schicken Chromarmaturenbrett, die an ein Flugzeug denken ließen.
    »Ein Spyker Spider. Marcus sammelt Autos, die nach Arachniden benannt sind.« Matthew aktivierte die Autotüren, die daraufhin wie die Schwingen eines Jets nach oben klappten. Er fluchte. »Das ist der auffälligste Wagen, den man sich nur vorstellen kann.«
    Wir fuhren damit nur bis Belgien, dann lenkte Matthew den Spyker auf den Parkplatz eines Autohändlers, gab die Schlüssel zu Marcus’ Auto ab und bog in etwas wesentlich Größerem und weniger Aufregendem vom Hof. Geborgen in dem schweren, kastenartigen Wagen erreichten wir Frankreich und machten uns ein paar Stunden später an die gemächliche Fahrt durch die Berge der Auvergne.
    Immer wieder blitzten Teile der Festung zwischen den Bäumen auf – die rosagrauen Mauern, ein dunkles Turmfenster. Unwillkürlich verglich ich die Burg und den dazugehörigen Ort mit dem Anblick bei meinem letzten Besuch im Jahr 1590. Diesmal hing kein grauer Rauchschleier über Saint-Lucien. Ich hörte in der Ferne Glöckchen klingeln und drehte unwillkürlich den Kopf, in der festen Annahme, die Nachkommen jener Ziegen zu sehen, die damals um diese Zeit zum Abendessen heimgekehrt waren. Allerdings kam uns diesmal kein Pierre entgegengeeilt, um uns mit Fackeln in den Händen zu begrüßen. Auch der Koch war nicht in der Küche und köpfte mit dem Beil Fasane, während gleichzeitig frisch gejagtes Rotwild zubereitet wurde, um Warmblüter und Vampire zu verköstigen.
    Und es erwartete uns kein Philippe – kein lautes Gelächter, keine klugen, auf Euripides zurückgehenden Aphorismen über die menschlichen Schwächen, keine scharfsinnigen Anmerkungen über die Probleme, denen wir uns nach unserer Rückkehr in die Gegenwart gegenübersehen würden. Wie lange würde es wohl dauern, bis ich nicht mehr auf das bellende Lachen und die stürmischen Schritte lauern würde, die Philippes Erscheinen ankündigten? Mir brach es das Herz, wenn ich an meinen Schwiegervater dachte. In der grell ausgeleuchteten, hektischen Welt von heute war kein Platz für Heroen wie ihn.
    »Du denkst gerade an meinen Vater«, murmelte Matthew. Seit wir das stille Ritual des Bluttrinkens und des Hexenkusses aufgenommen hatten, wussten wir genau, was der jeweils andere dachte.
    »Du auch«, sagte ich.
    »Seit er gestorben ist, fühlt sich das Château leer an. Es bietet mir Schutz, aber keinen Trost.« Matthew sah zu der Burg hin und richtete den Blick dann wieder auf die Straße. Ich spürte die Last der Verantwortung auf seinen Schultern und sein Bedürfnis, dem Vermächtnis seines Vaters gerecht zu werden.
    »Vielleicht ist es diesmal anders. Sarah und Em sind dort. Und Marcus. Ganz zu schweigen von Sophie und Nathaniel. Und Philippe ist immer noch hier, wir müssen nur lernen, uns auf seine Anwesenheit statt auf seine Abwesenheit zu konzentrieren.« Ich betrachtete das
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