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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt
Autoren: Deborah Harkness
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im Gegenzug einen Kuss auf die Wange.
    »Hallo, Margaret«, flüsterte ich und atmete tief den Babyduft ein.
    »D-d-d-d.« Margaret schnappte nach meinen Haaren und begann mit ihrem Fäustchen daran zu zerren.
    »Du machst jetzt schon Ärger«, lachte ich. Sie bohrte die Füße in meine Rippen und grunzte protestierend.
    »Sie ist so stur wie ihr Vater, dabei ist sie vom Sternzeichen ein Fisch«, sagte Sophie heiter. »Sarah ist bei der Zeremonie für dich eingesprungen. Agatha war auch dabei. Sie ist gerade weg, aber ich vermute, dass sie bald zurückkommt. Sie und Marthe hatten extra einen Kuchen gebacken, der ganz in Zuckerfäden eingesponnen war. Es war unglaublich. Und Margaret hatte ein so schönes Kleidchen an. Du klingst anders – so als hättest du lange im Ausland gelebt. Und deine Haare gefallen mir. Sie sehen auch ganz anders aus. Hast du Hunger?« Die Worte sprudelten in einem Schwall aus Sophies Mund, genau wie bei Tom oder Jack. Selbst hier, inmitten unserer Familie, vermisste ich unsere Freunde.
    Ich küsste Margaret auf die Stirn und reichte sie an ihre Mutter zurück. Matthew stand immer noch in der offenen Tür des Range Rover, einen Fuß im Auto, den anderen auf dem Boden der Auvergne, so als wäre er sich nicht sicher, ob wir wirklich hierhergehörten.
    »Wo ist Em?«, fragte ich. Sarah und Ysabeau sahen sich kurz an.
    »Im Château warten schon alle auf euch. Sollen wir nicht hineingehen?«, schlug Ysabeau vor. »Lasst den Wagen einfach hier stehen. Den holt später jemand ab. Ihr wollt euch doch bestimmt die Beine vertreten.«
    Ich legte den Arm um Sarah und ging ein paar Schritte. Ich drehte mich zu Matthew um und streckte die freie Hand aus. Komm zu deiner Familie, sagte ich stumm, als sich unsere Blicke trafen. Komm zu den Menschen, die dich lieben.
    Er lächelte, und mir ging das Herz auf.
    Ysabeau sog überrascht die Luft ein, ein leises Zischen, das in der sommerlichen Stille lauter zu hören war als jedes Flüstern. »Herzschläge. Deine. Und … noch zwei andere?« Ihre schönen grünen Augen blickten auf meinen Bauch, und auf ihrem Lid bildete sich ein winziger roter Tropfen, der jede Sekunde herunterzufallen drohte. Staunend sah Ysabeau Matthew an. Als er schweigend nickte, wuchs die Blutsträne seiner Mutter zu voller Größe an und rollte über ihre Wange.
    »In meiner Familie gibt es oft Zwillinge«, sagte ich wie zur Entschuldigung. Matthew hatte den zweiten Herzschlag in Amsterdam entdeckt, gerade als wir in Marcus’ Spyder gestiegen waren.
    »In meiner auch«, flüsterte Ysabeau. »Dann stimmt es also, was Sophie in ihren Träumen gesehen hat? Du bekommst ein Kind – Matthews Kind?«
    »Kinder«, verbesserte ich und sah die Blutsträne langsam über ihr Kinn rinnen.
    »Ein neuer Anfang«, stellte Sarah fest und wischte sich ebenfalls eine Träne aus dem Auge. Ysabeau schenkte meiner Tante ein bittersüßes Lächeln.
    »Philippe hatte ein Lieblingssprichwort über Neuanfänge. Es war uralt. Wie ging es noch, Matthew?«, fragte Ysabeau ihren Sohn.
    Endlich trat Matthew aus dem Wagen, so als hätte ihn bis dahin ein Zauber zurückgehalten, der in diesem Augenblick von ihm genommen worden war. Er kam an meine Seite, küsste seine Mutter liebevoll auf die Wange und nahm dann meine Hand.
    » Omni fine initium novum«, sagte Matthew und schaute über das Land seines Vaters, so als sei er endlich heimgekehrt.
    Jedem Ende wohnt ein neuer Anfang inne.

42
    30. Mai 1593
    So wie sie es Master Marlowe versprochen hatte, brachte Annie die kleine Dianastatue zu Vater Hubbard. Ihr wurde das Herz eng, als sie die winzige Figur in der Hand des Wearh sah. Die Statue erinnerte Annie immer an Diana Roydon. Selbst jetzt, fast zwei Jahre nach Mistress Roydons plötzlicher Abreise, vermisste Annie ihre Herrin.
    »Und sonst hat er nichts gesagt?«, wollte Hubbard wissen, während er die Figur in den Händen drehte. Das Licht fing sich im Pfeil der Jägerin und ließ ihn aufblitzen, so als würde er jeden Augenblick losfliegen.
    »Gar nichts, Vater. Er hat mir nur befohlen, Euch dies zu bringen, bevor er heute Morgen nach Deptford aufbrach. Master Marlowe sagte, Ihr wüsstet schon, was damit geschehen muss.«
    Hubbard bemerkte den kleinen Zettel, der zusammengerollt neben den Pfeilen der Göttin in dem schlanken Köcher steckte. »Gib mir mal eine deiner Nadeln, Annie.«
    Verwundert zog Annie eine Nadel aus ihrem Mieder und reichte sie Vater Hubbard. Der zielte mit der Spitze auf das Papier, stach zu
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