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Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Titel: Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)
Autoren: David Markson
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nach dem anderen die Spanische Treppe hinunterzurollen oder siebzehn Stunden auf das Klingeln ihrer siebzehn Armbanduhren zu warten, bevor sie jede einzelne davon in den Arno fallen lässt, oder eine riesige Anzahl Katzenfutterdosen im Kolosseum zu öffnen oder Kleingeld in verschiedene öffentliche Telefonapparate, die nicht funktionieren, zu stecken, in der Absicht, nach Modigliani zu fragen.
    Oder was das betrifft, sogar in verschiedenen Museen in Mumien herumzustochern, um zu sehen, ob eine davon im Inneren mit verlorenen Gedichten Sapphos ausgestopft sein könnte.
    Außer dass, was man ohnehin sogleich ahnt, es sehr wahrscheinlich fast keine Möglichkeit gibt, einen solchen Roman je zu beenden.
    Insbesondere, sobald die Heldin sich am Ende überzeugt hat, dass sie schließlich ebenso gut mit dem Schauen aufhören kann, und so auch wieder aufhören könnte, wahnsinnig zu sein.
    Was ihr sehr wenig zu tun übrig ließe, außer vielleicht dieses oder jenes Haus niederzubrennen.
    Oder griechische Fantasieschrift mit ihrem Stock in den Sand zu schreiben.
    Was kaum sehr aufregend zu lesen wäre.
    Obwohl eine merkwürdige Sache, die der Frau früher oder später in den Sinn kommen könnte, wäre, dass sie paradoxerweise praktisch ebenso allein gewesen ist, bevor all das passiert war, wie sie es jetzt war. Übrigens.
    Nun, da das ein autobiografischer Roman wäre, kann ich kategorisch bestätigen, dass ihr so etwas früher oder später in den Sinn kommen würde. Tatsächlich.
    Eine Art, allein zu sein, die einfach verschieden ist von einer anderen Art, allein zu sein, wäre alles, worauf es hinausliefe, wie sie letzten Endes finden würde.
    Was besagen soll, dass man, selbst wenn das Telefon noch funktioniert, ebenso allein sein kann, wie wenn es das nicht tut.
    Oder dass, selbst wenn man noch hört, wie der eigene Name an bestimmten Straßenkreuzungen gerufen wird, man genauso allein sein kann, wie wenn man nur noch imstande ist, sich vorzustellen, dass dies passiert sei.
    So dass vielleicht wirklich der ganze Witz des Romans wäre, dass man ebenso leicht an einem Telefon, das nicht funktioniert, nach Modigliani fragen kann wie an einem, das funktioniert.
    Oder selbst dass man fast ebenso leicht von einem Taxi mit niemandem am Steuer angefahren werden kann, das einen Hügel hinuntergerollt kommt, wie von einem mit jemandem am Steuer. Vielleicht.
    Selbst wenn etwas anderes, was hier offensichtlich deutlich wurde, ist, dass ich schließlich nicht imstande sein würde, mich aus dem Kopf meiner Heldin herauszuhalten.
    So dass ich schon anfange, mich schon wieder halb niedergeschlagen zu fühlen. Tatsächlich.
    Weswegen es zweifellos ganz gut ist, dass Romane schreiben in jedem Fall nicht wirklich mein Geschäft ist.
    Nun, wie auch schon Leonardo gesagt hat.
    Obwohl, was Leonardo wirklich gesagt hat, war, dass es keine bessere Möglichkeit gibt, gesund und frei von Angst zu bleiben, als wahnsinnig zu sein.
    Und was mir jetzt dieses merkwürdige Gefühl gegeben hat, dass die meisten Sachen, über die ich schreibe, oft von sich selbst gleich weit entfernt zu sein scheinen. Irgendwie.
    Was auch immer ich in Gottes Namen damit meinen könnte. Allerdings.
    Einmal, als Friedrich Nietzsche wahnsinnig war, hat er angefangen zu weinen, weil jemand ein Pferd geschlagen hat.
    Aber ging dann nach Hause und spielte Klavier.
    Bei meiner Ehre, Friedrich Nietzsche hat Stunde um Stunde Klavier gespielt, als er wahnsinnig war.
    Und hat auch jedes einzelne Musikstück erfunden, das er spielte.
    Während Spinoza oft nach Spinnen gesucht hat und sie dann miteinander kämpfen ließ.
    Und nicht im Geringsten wahnsinnig war.
    Obwohl, wenn ich sage miteinander kämpfen, meine ich gegeneinander kämpfen. Natürlich.
    Selbst wenn das, was man damit meint, aus irgendeinem merkwürdigen Grund im Allgemeinen verstanden zu werden scheint. In solchen Fällen.
    Hätte es auch nur irgendeinen Sinn gehabt, wenn ich gesagt hätte, dass die Frau in meinem Roman sich eines Tages eher an eine Welt ohne irgendwelche Leute darin gewöhnt hätte, als dass sie es jemals hätte können an eine Welt ohne so etwas wie Die Kreuzabnahme von Rogier van der Weyden? Nebenbei bemerkt.
    Oder ohne die Ilias ? Oder Antonio Vivaldi.
    Ich habe nur gefragt. Wirklich.
    Tatsache ist, es ist mindestens sieben oder acht Wochen her, seit ich das gefragt habe.
    Jetzt ist es Anfang November, schätze ich.
    Ich muss nachdenken.
    Ja.
    Oder in jedem Fall ist zumindest der erste Schnee
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