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Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)

Titel: Wittgensteins Mätresse: Roman (German Edition)
Autoren: David Markson
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niemand einem einzigen Wort, das man jemals sagte, Aufmerksamkeit schenkte.
    Obwohl man sich weiterhin immer noch andere Liebhaber nahm. Natürlich.
    Und um sich dann von anderen Liebhabern zu trennen.
    Blätter sind hereingeweht, oder flauschige Pappelsamen.
    Oder dann wiederum hat man manchmal auch bloß gevögelt, mit wem auch immer.
    Aus der Zeit gefallen.
    Während es als Nächstes die eigene Mutter war, die starb, und dann der eigene Vater.
    Und man sogar den winzigen Taschenspiegel neben dem Bett der schönen Mutter wegnahm, in dem sie und ihr Bild beide gleich weit entfernt waren von dem, was kommen würde.
    Obwohl es vielleicht der eigene Vater war, der nicht länger wollte, dass ihr diese Entfernung auffällt.
    Selbst wenn ich das Abbild meiner Mutter auch in meinem eigenen gesehen habe, in dem einen Spiegel in diesem Haus. Übrigens.
    Und bei jeder dieser Gelegenheiten immer davon ausgegangen bin, dass solche Illusionen recht gewöhnlich sind, allerdings, und mit dem Alter kommen.
    Was besagen soll, dass sie nicht einmal Illusionen sind, Vererbung ist Vererbung.
    Dann wiederum nie überhaupt irgendeine Art von Porträt des armen Lucien gemalt zu haben. Andererseits.
    Obwohl es den gerahmten Schnappschuss von ihm in der Schublade gibt, oben, neben meinem eigenen Bett. Selbstverständlich.
    Wie er kniet, um gato zu streicheln.
    Und er ist offensichtlich in meinem Kopf.
    Aber dann, was gibt es, das nicht in meinem Kopf ist?
    So dass er mir manchmal wie ein verdammtes Museum vorkommt. Manchmal.
    Oder als ob ich zur Museumsdirektorin der ganzen Welt ernannt worden wäre.
    Nun, die ich war, und sozusagen unbestreitbar bin.
    Selbst wenn mich jedes Artefakt darin sogar noch mehr hätte überraschen müssen, als es dies ohnehin tat, als mir klar wurde, dass ich nicht über Magritte nachgedacht habe, bis ich es tat. Wirklich.
    Und so dass sogar das Schild selbst, das Adam versprochen hat, neben das Grab zu tun, als ich nicht dafür dort blieb, auch in meinem Kopf in all den Jahren gewesen war, bevor ich zurückkehrte.
    Ohne dass dort jemals ein Schild gewesen ist.
    Gott, was die Männer so getan haben.
    Aber was weiß unsereins denn schon jemals wirklich?
    Und zumindest als ich anfing zu sagen, dass ich schließlich verstanden habe, was es war, das mich dazu gebracht hat, mich so niedergeschlagen zu fühlen.
    Letzten Dienstag.
    Als alles, was ich getan hatte, war, in der Sonne zu liegen, nachdem der Regen aufgehört hatte, und über Katzen nachzudenken, wie ich glaubte.
    Obwohl, um die Wahrheit zu sagen, lasse ich es nicht sehr häufig zu, dass solche Sachen passieren.
    Wobei ich kaum das Nachdenken über Katzen meine.
    Worüber ich spreche, offensichtlich, ist das Nachdenken über Sachen, die so lange her sind wie die Zeit, bevor ich allein war.
    Selbst wenn man kaum das eigene Denken so kontrollieren kann, dass nichts hineinkommt, das vor mehr als zehn Jahren passiert ist.
    Bestimmt habe ich schon vorher über Lucien nachgedacht. Zum Beispiel.
    Oder über einige meiner Liebhaber, wie Simon oder Vincent oder Ludwig oder Terry.
    Oder sogar über die siebente Klasse, als ich fast weinen wollte, weil ich wusste, wusste, dass Odysseus’ Hund bestimmt diese Schildkröte einholen konnte.
    Nun, und zweifellos habe ich ebenso über die Zeit nachgedacht, als meine Mutter schlief und ich sie nicht wecken wollte, und so schrieb ich liebe dich, auf denselben winzigen Spiegel mit meinem Lippenstift.
    Ich hatte vorgehabt, mit Artemisia zu unterzeichnen, aber mir ging der Platz aus.
    Du wirst nie wissen, wie viel es mir bedeutet hat, dass du eine Künstlerin bist, Helen, hatte meine Mutter gesagt, genau den Nachmittag davor.
    Aber die Wahrheit ist, dass ich nicht vorhatte, auch nur das Geringste davon gerade jetzt zu wiederholen. In Wirklichkeit.
    Was ich mir tatsächlich sagte, als ich schließlich herausbekommen habe, warum ich mich niedergeschlagen gefühlt habe, war, dass, falls notwendig, ich mir einfach niemals wieder erlauben würde, derartige Sachen überhaupt niederzuschreiben.
    So als ob man sozusagen nicht länger imstande wäre, ein einziges Wort über das l ange-Her zu sagen.
    So dass, selbst wenn ich mich erst in genau diesem Augenblick erinnerte, etwa an Jacques Lévi-Strauss geschrieben zu haben, würde ich so etwas ebenfalls nicht mehr niederschreiben.
    Man wäre kaum imstande gewesen, an Jacques Lévi-Strauss oder an irgendeine andere Person zu schreiben, wenn es nicht gewesen wäre, bevor man allein war.
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