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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich
Autoren: Diana Raufelder
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drückt sie Ri in die Hand.
    Ri nimmt die Serviette und steckt sie in ihre Tasche.
    Zum Abschied hält sie ihre Mutter einen Moment länger gedrückt.

Brief an den Vater
    Ein paar Tage lang hat Ri über ihren Vater nachgedacht. Über das, was ihre Mutter gesagt hatte. Sie hatte mit Ben geredet und dann beschlossen einen Brief zu schreiben.
     
    Lieber Papa,
    ich habe diesen Brief so viele Male begonnen und immer kamen mir die Worte falsch vor. Aber vielleicht gibt es die richtigen Worte einfach nicht.
    Ich hoffe, dir geht es besser. Letzte Woche habe ich mich mit Mama getroffen und wir haben lange geredet. Das war gut. Sie hat mir erzählt, dass du mal Gitarre gespielt hast und schöne Locken hattest. Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Vielleicht, weil ich dich immer nur in meinem Licht sehe, als den Vater, der einfach nicht mit mir zufrieden ist. Ganz egal, was ich tue. Ich fände es schön, den Papa mit der Gitarre kennenzulernen. Was meinst du?
    Ich habe so oft und so lange über das nachgedacht, was passiert ist, aber ich finde einfach keine Erklärung. Und selbst jetzt steigt die Wut in mir hoch, wenn ich daran denke, dass du mir Bens Briefe verheimlicht hast. Was hast du dir dabei nur gedacht? Warum hast du das gemacht? Kennst du das Gefühl, jemandem so nah zu sein, dass die Welt um einen herum verschwimmt? Wie wenn man an einem heißen Sommertag in die Mitte eines Sees schwimmt und sich treiben lässt? So ist es für mich, wenn Ben bei mir ist.
    Wieso hast du das kaputt gemacht? Ich verstehe das einfach nicht und ich bin enttäuscht.
    Ben hat sogar mit Belinda und mir gelernt – jetzt sind wir gar nicht mehr so schlecht in der Schule. Das freut dich doch bestimmt, oder? Und mit Belinda habe ich eine Band gegründet. Vielleicht willst du mich mal singen hören? Mama weiß, wann und wo.
    Meinst du, du kannst mir das alles irgendwann erklären?
    Alles Gute für dich
    Ri

Lola
    Einige Tage später sitzen Ben und Ri beim Sonntagsfrühstück.
    „Ri, da gibt es noch was, was ich gerne tun würde...“
    „...was denn?“, fragt Ri.
    Ben schaut ausweichend aus dem Küchenfenster.
    „Vielleicht reden wir mal nicht“, sagt Ben. „Lass uns einfach losgehen und dann wirst du schon verstehen.“
    Ri schaut Ben lange an. Dann steht sie vom Küchentisch auf, schlüpft in ihre Schuhe und öffnet die Haustür.
    „Okay“, sagt sie, „ich bin bereit.“
    Irgendwas in Bens Stimme hatte ihr das Gefühl gegeben, seinem Wunsch nachzukommen. Er redet nicht viel über seine Gefühle, aber in seinen Augen kann man so viel lesen. Und seine Augen schauten traurig. Jetzt war es an ihr, für Ben da zu sein.
    Sie laufen die Hasenheide entlang Richtung Kreuzberg. Ben nimmt Ris Hand und hält sie fester als sonst. An der Gneisenaustraße biegen sie links ein. Ben führt sie.
    Als sie die Friedhofsmauern sieht, weiß Ri, wo Ben hin will. Tränen steigen in ihre Augen.
    Vereinzelt zwitschert ein Vogel, als sie zwischen den Gräbern umher laufen. Es ist ein großer Friedhof mit viel Grün. Selbst im Januar wirkt er grün. Sie finden Lolas Grab ohne Mühe. Ein schlichter, grauer Stein ragt aus dem Boden.
    „Hallo Lola“, sagt Ben und weint.
    Noch nie hat Ri Ben weinen sehen. Und jetzt fließen die Tränen einfach aus ihm raus. Sie drückt seine Hand so fest sie kann.
    Und so stehen sie einfach eine Weile da. Vielleicht sind das die Tränen, die Ben schon viel früher hätte vergießen müssen.
    „Weißt du was?“, fragt Ri. „Lass uns einen Mond und einen Stern auf den Grabstein ritzen.“
    Ben nickt und wischt die Tränen an seinem Ärmel ab. Zusammen suchen sie einen spitzen Stein. Mit aller Kraft ritzen sie einen winzigen Stern und einen kleinen Mond in die linke untere Ecke.
    „Jetzt passen wir immer auf sie auf.“
    „Und sie auf uns.“
    Als Ri einige Tage später nach Hause kommt, wartet ein Brief auf dem Küchtentisch auf sie. Sie erkennt die Schrift sofort.
    „Von deinem Vater, oder?“, fragt Ben, der gerade Geschirr spült.
    „Hm“, nickt Ri.
    Sie setzt sich und reißt den Briefumschlag vorsichtig auf. Nur ein paar Sätze, Ri hatte mehr erwartet. Laut liest sie die geschriebenen Worte vor:
     
    Liebe Ri,
    vielen Dank für deinen Brief. Und vielen Dank für deinen Mut, mir zu schreiben. Wieder warst du mutiger als ich. Wieder hast du mir bewiesen, dass du ein wunderbarer Mensch bist. Entschuldige, wenn ich dir das nie gezeigt habe. Aber der Gitarre spielende Papa ist sehr stolz auf dich, genauso wie der Papa mit
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