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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
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konnten ihn nicht davon befreien, sosehr wir uns bemühten.«
    K’rina unterdrückte ihren Schmerz. Ihr Schluchzen verstummte.
    »In einem Punkt hat er recht«, sagte ein anderer. »Wir haben Angst vor ihm.«
    »Dafür müssen wir uns nicht schämen. Er ist in der Gemeinschaft des Geistes stärker als jeder, der in den letzten Jahren zu uns stieß, auch wenn er nicht das Wissen besitzt, diese Stärke richtig einzusetzen. Solange er sich mit kindischen Streichen und grausamem Schabernack begnügte, konnten wir darüber hinwegsehen. Aber nun … das Mädchen weint immer noch des Nachts. Wenn er bei uns bliebe, gäbe es letzten Endes noch größeres Leid.«
    »Wohin immer er geht auf dieser Welt, wird es größeres Leid geben«, sagte ein Mann, der sein Gesicht mit wilden, dunklen Spiralen tätowiert hatte. »Es wäre besser gewesen, ihn zu töten. Blut wird seine Fußspuren füllen. Wohin immer er geht.«



Das Dritte Zeitalter
Jahr 1102
    MANCHE RITEN UND RITUALE wurzeln so tief im Gefüge einer Rasse, dass ihr Ursprung längst in Vergessenheit geraten ist. In den Ländern des Nordens, wo der raue Zyklus der Jahreszeiten das Leben mit schneekalter Faust regiert, vermerkten die Huanin die Ankunft des Winters bereits in grauer Vorzeit, als es weder Kalender noch sonstige Aufzeichnungen gab. Im Lauf zahlloser Jahrhunderte veränderten sich die Bräuche je nach Charakter der Völker, und das Band zu ihren Vorläufern riss, aber der uralte Kern blieb erhalten.
    Lange vor Aufblühen der Königreiche hielten die grausamen Stämme des Tan Dihrin blutrünstige Zeremonien ab, um den Beistand der Götter gegen Eis und Stürme zu erbitten. Als dann in Dun Aygll Könige an die Macht kamen, hielten ihre Untertanen im Norden an den alten Bräuchen fest, obschon sie vergaßen, was sie bedeuteten, und obschon die Götter, die sie um Schutz anflehten, die Welt verlassen hatten. Das Königreich Aygll ging unter wie die meisten Werke der Sterblichen, aber in dem Chaos, das danach kam und aus dem letzten Endes die Than-Geschlechter hervorgingen, wechselten die Jahreszeiten, wie sie es immer getan hatten, und die Bewohner des Nordens markierten wie gewohnt den Wendepunkt zum Winter.
    So gibt es für die Häuser Kilkry und Lannis ebenso wie für die Geschlechter des Schwarzen Pfads hoch droben im Norden eine Nacht gegen Ende des Jahres, die mehr als jede andere ein Sinnbild für den Strom der Zeit ist. In jener Nacht erstarrt die Welt in Kälte und Dunkel, um erst im nächsten Frühling wieder zum Leben zu erwachen. Es ist eine Nacht der Trauer, aber zugleich eine Nacht der Freudenfeste, denn im Schlaf der Welt, der Winter heißt, liegt die Verheißung von Licht und der Rückkehr ins Leben .
    Aus: Hallantyrs Wanderungen
    I
    Ein Hornsignal durchschnitt klar und hell den blauen Herbsthimmel. Hundegebell wand sich um den Klang wie Efeu um einen Baum. Orisian nan Lannis-Haig drehte den Kopf hierhin und dorthin, um festzustellen, woher der Ruf kam. Sein Vetter Naradin ritt vor ihm.
    »Hier entlang.« Naradin wandte sich im Sattel um und deutete nach Osten. »Sie haben etwas aufgespürt.«
    »Ziemlich weit entfernt«, meinte Orisian.
    Naradins Pferd trat einen Schritt zur Seite und reckte den Hals. Es war für die Jagd abgerichtet und wusste, was der Klang bedeutete. Ärgerlich stieß Naradin das Ende seines Eberspießes in den Boden.
    »Wohin sind die verdammten Hunde verschwunden?«, fragte er. »Die nichtsnutzigen Biester haben uns im Stich gelassen.«
    »Sie müssen einer Witterung gefolgt sein, die sie in diese Gegend führte«, sagte Rothe gelassen. Der ältere von Orisians beiden Leibwächtern war der Einzige, der es geschafft hatte, während der letzten Meile mit ihm und seinem Vetter Schritt zu halten. Der lichte Baumbestand in diesem Teil des Walds von Anlane war gut für Jagdgesellschaften geeignet, aber selbst hier zerstreute sich die Schar, sobald die Verfolgung losging.
    Wenn die Hunde auf einer einzigen Fährte geblieben wären, hätte die Sache anders ausgesehen, überlegte Orisian. Stattdessen hatte sich die Meute geteilt. Es war einfach Pech, dass er und Naradin sich für das falsche Rudel entschieden hatten. Orisian empfand darüber kein allzu großes Bedauern. Sein Vetter sähe das allerdings anders. Naradin war seit vier Tagen Vater, und nach altem Brauch musste er während der Festlichkeiten zum ersten Winteranfang des Neugeborenen Fleisch von einem Tier auftischen, das er eigenhändig erlegt hatte. Ein Bauer oder
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