Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
Vom Netzwerk:
Steinknebel. Die Schleiereulen wechselten einen Blick. Nun konnte es nicht mehr lang dauern.
    Aber als der Tag stumm und widerwillig anbrach, lebte der Na’kyrim immer noch. Der Tränenfluss war versiegt. Er sah seine Kyrinin-Wächter an. In seinen Augen standen Trostlosigkeit und Verzweiflung. Die Schleiereulen erwiderten seinen Blick gleichgültig, ungerührt.
    Wieder ging der Tag zur Neige. Inzwischen hatte der Na’kyrim das Martyrium auf dem Richtstein länger durchgehalten als jedes andere Opfer seit vielen Jahren. Gegen Abend verzogen sich die Wolken. Orangegelbes Licht fiel auf den Felskoloss und die Bürde, die er trug. Der Tod schlich durchs Gras und hauchte den Na’kyrim an. Luft rasselte in seinen verklebten Lungen. Die Muskeln der gepfählten Arme erschlafften, der Kopf sank immer tiefer. Die beiden Kyrinin erhoben sich und traten näher, um das Ende später bezeugen zu können.
    Aber das Ende spielte sich anders ab als erwartet. Das Rasseln in der Brust des Na’kyrim verstummte. Eine ungeheure Stille senkte sich herab, und mit ihr kam tiefe Dunkelheit. Abermals flossen Tränen, doch diesmal waren sie aus Blut, nicht aus Wasser. Der hagere Kopf hob sich langsam, als kämpfe er gegen ein ungeheures Gewicht an. Als die Sonne unterging und sich ringsum die Schatten verdichteten, öffnete der Na’kyrim die blutigen Augen und durchbohrte die Kyrinin mit einem Blick, der nicht mehr von Verzweiflung sprach, sondern von einer schrecklichen Erkenntnis.

    Vom Balkon an der Westfassade der Hohen Feste sahen Cerys und Amonyn die Gipfel der Karkyreberge als schroffe dunkle Silhouetten gegen das letzte Abendrot. Sie standen eng aneinandergeschmiegt da, in eine einzige Wolldecke gewickelt und von leichtem Schneetreiben umwirbelt. Die Wärme, die Amonyn aus dem Geist der Gemeinschaft gewoben hatte, schützte sie beide gegen die Elemente. Das kurze Schwanken dieser Wärme, das plötzliche Eindringen der beißenden Winterkälte warnten Cerys. Gleich darauf hatte sie das schwindelerregende Gefühl, dass die Welt unter ihr wegsank, und hätte Amonyn sie nicht mit starkem Arm gestützt, wäre sie vermutlich zusammengebrochen.
    »Ah«, sagte sie leise und lehnte sich an seine Schulter. »Was war das?«
    »Etwas … jemand … hat sich verwandelt«, raunte er. Jedes Wort schien ihm schwerzufallen. In seinen Augenwinkeln sammelten sich winzige Tränen. »Diese Qual. Dieses … Wunder.«
    »Auserwählte!«, hörte sie jemanden von drinnen rufen. »Auserwählte, der Träumer …« Die Stimme des Mannes klang drängend und angsterfüllt. »Der Träumer … weint.«

    In einer Kammer hoch droben im Turm der Throne stieß die Na’kyrim Yvane im Halbschlaf einen durchdringenden Schrei aus. Die frischen weißen Laken glitten ihr vom Körper, als sie mit schweißnassem Gesicht in die Höhe fuhr. Lange saß sie so da, die Hände in das Bettzeug verkrampft, und rang mühsam nach Luft.
    Die Tür flog auf, und ein Wachtposten stürmte herein, einer von Taims Männern, der trotz ihrer Proteste draußen Aufstellung genommen hatte. Sie starrte ihn verwirrt an, immer noch halb in ihrem Albtraum gefangen.
    »Ich habe von einer tiefen Finsternis geträumt«, murmelte sie mit schwacher, schwankender Stimme. »Da war ein Mann. Ein entsetzlicher, gebrochener Mann, der nichts als Zorn in seinem Herzen hatte.«

Zeittafel
    Erstes Zeitalter
    Am Anfang erschaffen die Götter die Welt und die Eine Rasse.
    Am Ende erhebt sich die Eine Rasse gegen die Götter und wird vernichtet.
    Zweites Zeitalter
    Am Anfang erschaffen die Götter die Fünf Rassen: Huanin, Kyrinin, Whreinin, Saolin und Anain.
    Huanin und Kyrinin bekriegen und vernichten die Whreinin. Wegen dieses Sündenfalls werden sie fortan die Befleckten Rassen genannt. Die Götter wenden sich von ihnen ab.
    Am Ende verlassen die Götter die Welt.
    Drittes Zeitalter
    Am Anfang herrscht Chaos, weil es keine Götter mehr auf der Welt gibt.
Jahr
280
Entstehung der Königreiche Andravane und Aygll
451
Entstehung des Königreichs Alsire führt zur Ära der Drei Königreiche
775
Bündnis der Huanin-Königreiche gegen die Stämme der Kyrinin; Krieg der Befleckten
788
Zerstörung von Tane; die Anain pflanzen das Labyrinth des Tiefen Waldes; Ende des Kriegs der Befleckten
793
Ermordung des letzten Aygll-Königs; Ende der Drei-Königreiche-Ära; Beginn der Sturmjahre
847
Gründung der Than-Häuser – Kilkry, Haig, Gyre, Ayth und Taral – im früheren Herrschaftsgebiet von Aygll; Ernennung von Kulkain oc
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher