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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
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Gleich darauf sprengte ein Reiter vorbei und durchschnitt mit seiner Klinge die Luft genau da, wo Anyara eben noch gestanden hatte. Sie stolperten tiefer in den Durchgang hinein. Auf der Straße hinter ihnen wimmelte es plötzlich von Pferden, die den Regenschleier zerrissen.
    »Rothe!«, rief Orisian mit gellender Stimme. Sein Leibwächter war irgendwo in dem Chaos verschwunden. Varryn rannte los und warf sich zwischen zwei scheuende Pferde.
    »Ich hole ihn!«, zischte er über die Schulter zurück.
    Plötzlich glaubte Orisian Rothes Stimme über den Lärm hinweg zu hören.
    »Auf das Schiff, Orisian, auf das Schiff!«
    Anyara zerrte ihn die schmale Gasse entlang. Yvane und Ess’yr rannten ein Stück vor ihnen.
    »Ich lasse niemanden zurück!«, schrie Orisian seine Schwester an.
    »Sie werden uns finden«, entgegnete sie, ohne sich umzudrehen. »Du willst doch hier nicht sterben, oder?«
    Sie hörten ein Wimmern aus einem der Häuser, an denen sie vorbeikamen. Sie entfernten sich von der See, von der Sicherheit, die Delynes Schiff bot, aber der Durchgang hatte keine Abzweigungen. An seinem Ende tat sich eine neue Straße auf.

    Eine Frau lief schreiend die Straße entlang und schleifte ein kleines Mädchen durch den Morast. Das Kind schluchzte laut. Hinter ihnen drängte ein Knäuel von Kämpfenden aus einer Seitengasse – ein halbes Dutzend Koldihrve-Wächter, die sich ein aussichtsloses Gefecht mit drei Horin-Gyre-Reitern lieferten. Eines der Pferde bäumte sich in Panik auf und versuchte auszubrechen. Sein Reiter wurde abgeworfen. Die beiden anderen schlugen blindlings mit ihren Schwertern um sich. Orisian sah einen Blutstrahl aufspritzen. Durch den Regenvorhang und die Entfernung wirkte er schwarz.
    Ess’yr führte sie von der Kampfszene weg. Sie pressten sich dicht an die Häuser, als könnten ihnen die Mauern Schutz vor dem Grauen bieten, das Koldihrve heimsuchte.
    »Wartet!«, keuchte Yvane. Sie deutete auf das schäbige Haus, das sie gerade passierten. »Ich glaube, an der Rückseite dieser Gebäude führt ein Weg vorbei. Wenn wir den erreichen und ein Stück zurücklaufen, nähern wir uns wieder dem Meer.«
    Die Haustür gab nur ein Stück nach und klemmte dann. Erst als Orisian mit dem Fuß dagegentrat, flog sie auf. Sie stolperten in ein Zimmer, in dem es nichts außer einem Bett mit zerschlissenen Decken, einem Tisch, einem Stuhl und einer rußgeschwärzten Feuerstelle gab. Die Bewohner waren geflohen oder kämpften irgendwo draußen um ihr Leben. Der Regen hämmerte auf das dünne Dach. Wasser lief ihnen aus den Haaren und Gewändern.
    »Wir können Rothe nicht im Stich lassen«, erklärte Orisian.
    »Er weiß, wohin wir gehen, und wird nachkommen«, entgegnete Yvane. Sie kämpfte mit dem Riegel eines verrammelten Fensters auf der anderen Seite des Hauses. Orisian half ihr.
    Die Läden schwangen nach außen. Yvane beugte sich hinaus. Ess’yr behielt unterdessen die Tür im Auge.
    »Du hast unsertwegen dein eigenes Volk verlassen«, sagte Orisian zu ihr.
    Der Kyrinin klebte das feine Haar an den Schläfen. Wasser lief ihr über die Haut. An ihren Wimpern hingen silbrige Regentropfen.
    »Ich bringe dich in Sicherheit«, erwiderte sie.
    »Wir müssen weiter!«, drängte Anyara.
    »Dann auf!«, rief Yvane. »Ich sehe keine Hindernisse hier draußen. Hammarns Hütte liegt ganz in der Nähe. Los!«
    Sie kletterte aus dem Fenster auf einen hölzernen Gehsteig, der an der Rückseite der Häusern entlanglief. Anyara folgte ihr, dann Ess’yr. Orisian legte beide Hände auf den Rahmen und schwang ein Bein über das Fensterbrett, doch dann hielt er mitten in der Bewegung inne. Ein schwacher Schimmer neben der Feuerstelle fiel ihm ins Auge: die Klinge eines dünnen Messers, das an einem Haken hing. Er kehrte noch einmal um und nahm das Messer in die Hand. Es war ein einfaches Werkzeug, aber scharf geschliffen.
    »Orisian!«
    Er wandte sich um. Ihm stockte der Atem. Im Eingang stand ein schlanker, kräftiger Mann, ein wenig gebeugt, weil der Türrahmen zu niedrig für ihn war. An dem Schwert, das er umklammert hielt, liefen Blut und Regenwasser herab.
    »So heißt Ihr doch, oder?«, fragte der Mann ruhig. »Ich bin Kanin oc Horin-Gyre.«
    Das Trommeln des Regens schien zu verstummen. Orisian sah nur noch den Mann, der vor ihm stand.
    Kanin trat mit einem einzigen langen Schritt in den Raum. Er richtete sich auf und hob das Schwert, bis die Spitze auf Orisians Brust zielte. Orisian wich vorsichtig zum Fenster
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