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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)
Autoren: Brian Ruckley
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zurück. Kanin stürmte auf ihn zu. Orisian war mit einem Sprung am Fenster und hechtete hinaus in das Unwetter. Er stolperte vom Gehsteig auf die Straße hinunter und fiel der Länge nach hin. Schlamm lief ihm in Mund und Nase. Er rollte herum, spuckte aus und sah gerade noch, wie Kanin oc Horin-Gyre einen Fuß auf das Fensterbrett setzte und sich am Rahmen hochzog. Ess’yr stand neben der Hausmauer. Als der Than auftauchte, schwang sie ihren Bogen wie einen Knüppel und traf ihn mitten im Gesicht. Blut spritzte auf, und Kanin fiel mit einem Schmerzensschrei rückwärts in das Zimmer. Ess’yr warf den zersplitterten Bogen beiseite und sprang auf die Straße.
    Yvane zerrte Orisian hoch. »Ausruhen kannst du später!«, zischte sie.
    Sie rannten die Straße entlang, bogen an der nächsten Ecke ab und nahmen einen schmalen Durchgang zwischen zwei Häusern, der sie in Sichtweite des Meers brachte. Orisian erkannte, wo sie sich befanden. Hammarns Hütte lag vor ihnen. Die Tür stand offen, und Hammarn selbst hielt mit ängstlichen, weit aufgerissenen Augen nach ihnen Ausschau.
    »Seid ihr das? Seid ihr das?«, rief er, als sie auf ihn zuliefen.
    »Ja«, erwiderte Yvane. »Wird Zeit, dass du mitkommst, mein Freund.«
    Der Alte starrte sie entsetzt an.
    »Hörst du nichts?«, fragte ihn Yvane. »In der Stadt kannst du nicht bleiben.«
    Hammarn hielt den Kopf schräg und horchte. Immer noch drangen Schreie durch den Regen.
    »Vielleicht hast du recht«, brummte Hammarn. »Vielleicht. Dann geh ich mal meine Sachen packen.« Er verschwand in der Hütte.
    »Hammarn …«, begann Yvane.
    »Lasst ihn seine Sachen holen«, unterbrach Orisian die Na’kyrim . »Wir warten so lange wie möglich auf Rothe. Und auf Varryn.«
    Yvane warf einen Blick über die Schulter.
    »Das halte ich für unklug«, sagte sie.
    Orisian ließ sich nicht beirren. »Klug oder unklug – wir lassen sie nicht im Stich.«
    Er zog die Schultern hoch und schoss durch die Nässe um das Haus herum. Die Regentropfen übersäten das aufgewühlte Meer mit unzähligen kleinen Kratern. Edryn Delynes Schiff hatte die Segel gesetzt. Gestalten bewegten sich auf dem Deck. Orisian winkte und schrie, aber niemand schien ihn zu bemerken. Er spähte den sturmgepeitschten, morastigen Strand entlang. Ein flaches Ruderboot war an dem hölzernen Landesteg festgemacht, der Hammarns Hütte am nächsten lag. Er kehrte zu den anderen zurück. Sie hatten sich im Eingang versammelt. Hammarn wühlte in einem Stapel Treibholz und murmelte leise vor sich hin.
    »Da liegt ein Boot, das wir nehmen können«, berichtete Orisian. »Aber wir haben nicht mehr viel Zeit. Delyne hisst bereits die Segel.«
    Er schaute Ess’yr an. Ihr Blick wirkte trüb und in weite Ferne gerichtet. Regenwasser lief über ihre Tätowierungen, und sie wirkten verschmiert und schwach.
    »Was ist mit dem Vo’an ?«, fragte er.
    Sie schüttelte kaum merklich den Kopf. »Die Feinde sind gekommen. Sehr viele.«
    »Das tut mir leid.«
    Orisian spürte eine Hand auf dem Arm. Anyara war neben ihn getreten. Ihre Miene verriet tiefen Schmerz. Er nahm sich zusammen und lächelte.
    »Ich weiß«, sagte er. »Höchste Zeit zum Aufbruch. Wir können nicht mehr warten.«
    Hammarn hatte nichts außer seinen Flechtbandschnitzereien mitgenommen. Er umwickelte das kleine Bündel mit einem Tuch und drückte es an die Brust wie ein Kind.
    »Fertig«, sagte er vor sich hin.
    Orisian führte die kleine Gruppe zum Strand. Er hatte erst ein paar Schritte zurückgelegt, als Rothe und Varryn aus einer Seitengasse stürzten und auf sie zurannten. Der Kyrinin humpelte ein wenig. Rothes linker Arm hing schlaff herunter. Diesmal schien es etwas Ernsteres zu sein. Blut sickerte zu Boden und vermischte sich mit dem Regen.
    Orisian spürte, wie ihn eine mächtige Woge der Erleichterung durchflutete.
    »Schlimm?«, fragte er, als der Leibwächter ihn eingeholt hatte.
    »Hätte schlimmer ausgehen können«, meinte Rothe mit einem gequälten Grinsen. »Ein Glück, dass es in diesem elenden Kaff eine Menge Gassen gibt, die zu eng für Gäule sind.«
    Die Wassermassen, die von der Stadt zum Meer hinunterströmten, gruben sich Kanäle in den Strand. Der harte Regen legte Muscheln und Steine frei. Die Flüchtlinge schlitterten zum Landesteg mit seinen unebenen, rutschigen Planken.
    Zwei Taue hielten das Boot fest. Yvane versuchte das eine zu lösen, Orisian das andere, aber die nassen Knoten gaben keine Spur nach. Orisian zog das Messer aus dem
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